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Mit geschlossenen Augen

Mit geschlossenen Augen

Titel: Mit geschlossenen Augen
Autoren: Melissa Panarello
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verschlampt oder höre freiwillig auf zu schreiben, weil ich meine Gedanken lieber für mich behalte. Oder aber meine Mutter steckt ihre Nase rein ‒ neugierig wie sie ist, sollte mich das gar nicht wundern —, und dann komme ich mir total doof vor und höre sowieso auf zu schreiben.
Ich weiß nicht, ob es mir gut tut, mein Herz auszuschütten, aber wenigstens lenkt es mich ab.
     
13. Juli morgens
    Tagebuch,
ich bin so froh! Gestern hat Alessandra mich zu einem Fest mitgenommen. Sie ist wirklich ein nettes und sehr herzliches Mädchen, wenn auch etwas trampelig. Auf ihren hohen Absätzen war sie lang wie eine Bohnenstange und ziemlich wackelig, aber hübsch wie immer. Zuerst wollte ich gar nicht mitkommen, einerseits, weil ich Feste langweilig finde, andererseits, weil mich die Hitze total außer Gefecht setzt. Aber Alessandra drängte mich so sehr, dass ich schließlich nachgegeben habe. Singend fuhren wir mit dem Mofa zum Stadtrand, den Hügeln entgegen, deren üppiges Grün in der sommerlichen Gluthitze verdorrt und eingegangen ist. In Nicolosi wurde groß gefeiert, das ganze Dorf war auf der Piazza versammelt, und auf dem abendlich warmen Asphalt gab es viele Stände mit Bonbons und Trockenobst. Das Haus befand sich am Ende einer schmalen, unbeleuchteten Straße; vor dem Eingangstor angekommen, winkte Alessandra und rief laut: »Daniele, Daniele!«
    Irgendwann kam ein Typ angeschlappt und begrüßte sie. Er schien ganz gut auszusehen, auch wenn man in der Dunkelheit nicht viel erkennen konnte. Alessandra stellte uns vor, und er drückte mir lasch die Hand. Seinen Namen hat er fast geflüstert, und ich musste ein bisschen lächeln, weil er mir so schüchtern vorkam; plötzlich sah ich im Dunkeln etwas leuchten: Es waren seine strahlend weißen Zähne. Da habe ich seine Hand fester gedrückt und ein bisschen zu laut »Melissa« gesagt; meine Zähne dürfte er dabei kaum bemerkt haben; sie sind nicht ganz so weiß wie seine, aber vielleicht hat er meine Augen aufleuchten und glänzen sehen. Als wir ins Haus traten, habe ich gemerkt, dass er bei Licht noch besser aussieht; ich ging hinter ihm und beobachtete das Spiel seiner Rückenmuskeln. Plötzlich kam ich mir mit meinen mickrigen eins sechzig winzig klein vor und Daniele gegenüber richtig hässlich.
    Als wir uns dann auf den Sesseln im Wohnzimmer niederließen und er mir gegenübersaß, langsam sein Bier schlürfte und mir dabei in die Augen sah, habe ich mich für die Pickel auf meiner Stirn geschämt und für meine Haut, die im Vergleich zu seiner viel zu hell ist. Seine Nase ist so gerade und wohl proportioniert wie die einer griechischen Statue, und die Adern, die aus seinen Handrücken hervortreten, geben ihm etwas Kraftstrotzendes. Seine großen dunkelblauen Augen blickten mich stolz und herablassend an. Obwohl er mir ständig Fragen stellte, gab er sich mir gegenüber ziemlich gleichgültig, was mich allerdings kein bisschen abgeschreckt hat, im Gegenteil.
    Er tanzt so ungern wie ich. Also sind wir alleine sitzen geblieben, während die andern sich ausgetobt, getrunken und herumgealbert haben.
    Irgendwann trat eine Redepause ein, die ich unbedingt überbrücken wollte.
»Schönes Haus, nicht?«, meinte ich mit gespielter Selbstsicherheit.
Er zuckte nur mit den Schultern, und da ich nicht indiskret sein wollte, habe ich den Mund gehalten.
Dann kam der Moment der intimen Fragen. Als alle am Tanzen waren, beugte er sich ganz weit zu mir vor und schaute mich lächelnd an. Ich war überrascht, aber erfreut und wartete darauf, daß er den nächsten Schritt tun würde ‒ es war dunkel, wir waren allein und uns jetzt wirklich sehr nahe. Dann die Frage: »Bist du Jungfrau?«
Ich lief puterrot an, hatte plötzlich einen dicken Kloß im Hals und das Gefühl, von tausend Nadeln in den Kopf gestochen zu werden.
Ich würgte ein schüchternes Ja heraus und sah sofort weg, die Sache war mir furchtbar peinlich. Daniele biss sich auf die Lippen, um nicht lachen zu müssen, und beschränkte sich darauf, ein wenig zu hüsteln, ohne noch ein Wort zu sagen. Innerlich habe ich mir die schlimmsten Vorwürfe gemacht: »Dumme Kuh! Jetzt hast du bei ihm verspielt!« Aber was hätte ich sonst sagen sollen, das ist nun mal die Wahrheit, ich bin noch Jungfrau. Außer mir selbst hat mich bisher noch niemand angefasst, und das behaupte ich mit Stolz. Allerdings ... neugierig bin ich schon, und wie! Neugierig vor allem darauf, mir mal einen nackten Mann anzusehen, das durfte ich
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