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Mit 15 wachsen einem Flügel

Mit 15 wachsen einem Flügel

Titel: Mit 15 wachsen einem Flügel
Autoren: Tina Caspari
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mal, ohne die anderen.“
    „Wenn er es mich noch mal hätte wiederholen lassen, dann hätte ich Schreikrämpfe bekommen“, flüsterte Katja Petra zu. „Ruhe hinter der Bühne!!!“
    Petra machte mit dem Kopf ein Zeichen nach draußen. Katja folgte ihr auf den Flur.
    „Ganz schön nervös, die Bande!“ sagte Petra, als sie draußen standen.
    Katja lächelte gequält. „Na, frag mich doch mal! Ich kann schon seit zwei Tagen nicht mehr essen und nicht mehr schlafen vor Aufregung. Ich gäbe was drum, wenn ich den morgigen Tag hinter mir hätte!“
    Eine vollbusige, silberblonde Schöne, mit zwei schweren Kästen beladen, kam auf stelzenartigen Sandalen den Gang heraufgetrippelt.
    „Bin ich hier richtig bei der Probe der Künzel-Schule?“
    „Goldrichtig“, antwortete Petra. „Können wir was für Sie tun.'"
    „Ich bin Waltraud, die Maskenbildnerin. Macht ihr auch mit?“
    „O ja, darf ich vorstellen? Das ist Katja, erst Verkäuferin, dann Spanierin — und ich bin Petra und tanze einen Matrosen und später eine Haremsdame.“
    „Habt ihr einen Augenblick Zeit? Dann können wir schon mal besprechen, was wir morgen machen. Als Matrose sollst du einen Bart bekommen, nicht wahr?“
    „Ja, und als Haremsdame muß ich auch am Körper braun geschminkt sein. Hier geht’s lang, da ist unser Umkleideraum.“ Es ist also nicht mehr aufzuhalten, dachte Katja, und das Flattern im Magen wurde stärker. Das Unheil nimmt seinen Laut. Noch etwas mehr als vierundzwanzig Stunden, dann stehe ich da draußen, und meine Knie werden weich sein wie rote Grütze. Und ich werde mich an keinen Schritt, keine
    Bewegung mehr erinnern können. Und unten all die Gesichter der Leute — der Himmel steh mir bei, ich habe nicht gewußt, daß Lampenfieber so schlimm sein kann!

    Wie die Stunden bis zur Aufführung herumgegangen waren, konnte Katja nicht sagen. Sie lebte wie im Traum. Plötzlich war es sechs Uhr abends, und sie lehnte in einem Stuhl, die Augen geschlossen, und fühlte die kühlen Finger Waltrauds, die Schminke, Rouge und Lidschatten auf ihr Gesicht auftrug. Dann verschwand sie kurz in einer Staubwolke, das Make-up wurde mit Puder abgeklopft, schließlich tuschte ihr Waltraud die Wimpern, trug mit einem feinen Pinsel Lidstriche auf, klebte einzelne lange Wimpern zwischen ihre eigenen, bürstete sie schwungvoll nach oben und zeichnete schließlich mit einem kirschroten Lippenstift ihre Lippen nach.
    Endlich durfte Katja sich aufrichten. Sie mußte zweimal hinschauen, ehe sie glaubte, was sie sah. Waltraud hatte aus ihr eine glutäugige Schönheit gemacht. Katja hatte das Gefühl, in der letzten halben Stunde gewachsen zu sein. Unwillkürlich nahm sie die Pose der stolzen Flamenco-Tänzerin an, die sie darstellen sollte. Waltraud war bereits dabei, die schwarze Perücke festzustecken.
    „Die graue Perücke und die Maske stülpen wir erst im letzten Moment über, damit du nicht zu sehr ins Schwitzen kommst.“ Katja nickte benommen.
    „Die nächste, bitte!“
    Während Ulrike auf Waltrauds Stuhl Platz nahm, ging Katja nach draußen. Im Nebenraum waren mehrere Mütter dabei, die jüngeren Darsteller zu schminken und anzuziehen.
    Der Zuschauerraum war leer. Auf der Bühne korrigierte Janos mit Hilfe eines jungen Technikers die Beleuchtung. Sollte sie zu ihm gehen? Nein, lieber allein sein jetzt, noch einmal alles durchdenken. Die Minuten bis zum Anfang schienen sich wie ausgeleierte Gummibänder zu dehnen.
    Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Hastiges Toi-toi-toi-Sagen hinter der Bühne, letzte Ermahnungen, das Summen im Zuschauerraum, das von einem Moment zum andern erstarb. Licht aus! Vorhang auf! Peter schlug die ersten Takte des Vorspiels an — Achtung — Bühnenlicht!
    Katja stolperte auf die Bühne, mit Regenschirm und übergroßer Handtasche. Der erste Lacher! Gut — weiter. Kampf mit dem widerspenstigen Regenschirm — wieder ein Lacher — gut so. Jetzt die Handtasche — verzweifeltes Suchen — wo ist nur? Ich hatte doch — ah, da, endlich! Das Frühstücksbrot aufklappen — schnuppern — zuklappen, jetzt die Thermosflasche — umständlich wegpacken — nun der Hut, er muß dreimal runterfallen vom Haken, geschafft, die Leute johlen vor Lachen. In der Seitengasse Flüstern, Janos" Stimme: Großartig Mädchen, du hast sie am Angelhaken! — Jetzt Brittas Auftritt als geschniegelter junger Verkäufer und Marlene als kesse Verkäuferin im Minirock, die immer zu spät kommt. Katja watschelte ihr entgegen
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