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Mit 15 wachsen einem Flügel

Mit 15 wachsen einem Flügel

Titel: Mit 15 wachsen einem Flügel
Autoren: Tina Caspari
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und fuchtelte ihr drohend mit der Uhr vor der Nase herum.
    Uff, kleine Verschnaufpause. Jetzt kam der Auftritt der Jüngsten. Constanze und Inga als komisches Ehepaar wollen eine Reise nach Holland buchen. Lichtwechsel! Klappt es? Es hat geklappt. Der Holzschuhtanz der ganz Kleinen. „Süß!“ — „Ist das nicht goldig?“ hört man’s im Zuschauerraum raunen.
    Nächste Nummer. Petra als Matrose, der in die Alpen will. Komische Bergsteiger-Nummer der Turngruppe. Schuhplattler der Zehnjährigen. Starker Applaus, gut so.
    Ulrikes Nummer als Mutter von fünf Kindern. Warum ist sie noch nicht da? Na endlich. Jetzt die Akrobatik-Gruppe — Vorsicht, nicht zu weit nach vorne, ihr kugelt über die Rampe! Gott sei Dank, gutgegangen! Da ist schon Elfie als sauertöpfischer Junggeselle, der nach Wien möchte. Die Ballettnummer, einer der Höhepunkte. Constanze als Primaballerina. Sie ist nervös, das spürt man, aber sie fängt sich schnell.
    Jetzt noch Rico mit seiner Nummer, Donnerwetter, er versteht es immer noch, sein Publikum zu fesseln, auch seine Step-Schüler können sich sehen lassen. Achtung — jetzt wird’s gleich ernst. Ingas zweiter Auftritt als verwöhnter Dandy, den Katja zu einer Reise nach Spanien überreden will. Gestenreiche Pantomine mit Inga — nichts interessiert den Herrn — nicht Italien, nicht Afrika. Katja zeigt auf Schottland. Die Bühne füllt sich mit tanzenden Schotten. Der Herr schüttelt verächtlich den Kopf. Vielleicht Rußland? Ausgezeichnet die kleine Kathrin in ihrem russischen Tanz — Szenenapplaus bei ihren Sprüngen aus der Hocke. Prima, Mädchen! Und jetzt — lieber Gott, hilf mir! Katja drückte Inga so schwungvoll in den Stuhl, daß sie fast umkippte. Hinter der Bühne standen Petra und Waltraud bereit, mit Waltrauds Hilfe klappte der Umzug wie am Schnürchen, sie kennt sich in solchen Dingen aus. Zeichen geben: fertig! Licht auf der Bühne aus. Hoffentlich stehe ich an der richtigen Stelle für die Scheinwerfer, ja, sie blenden teuflisch, also stehe ich richtig, schießt es Katja durch den Kopf. Im Publikum ein überraschtes „Ahh!“ Warum ist das Tonband noch nicht an, ich werde hier ja zur Salzsäule. Na endlich — gut, daß die Kastagnetten auf dem Tonband mit drauf sind, das hätte ich nie geschafft — sich zwingen, die ersten Schritte ganz langsam zu machen, wie unter einer mit Gewalt unterdrückten Spannung — Kopf in den Nacken.
    Schon bei den ersten Schritten ging mit Katja eine eigenartige Verwandlung vor sich. Ihr war, als sei nicht sie es, die da tanzte. Etwas anderes, Fremdes schien von ihr Besitz ergriffen zu haben, schien sie mitzureißen. War es die Musik, die ihr vorkam, als höre sie sie heute zum erstenmal? Sie spürte eine Wachheit, die sie noch nie erlebt hatte, bis in die Fingerspitzen, bis in die Zehen ging dieses Gefühl. Als säße ihr Gehirn nicht nur im Kopf, sondern überall zugleich in ihrem Körper. Ein neuer, ein fremder Körper, und trotzdem wirklicher als der alte, der ihr vorkam, wie eine harte, tote Eierschale, die sie gerade eben aufgepikt und abgeworfen hatte. „Ich bin wach, ich bin da“, sagte dieses neue Ich, „seht mich an, ich bin lebendig, ich sprühe Funken, so lebendig bin ich! - Tamteratatam - tada - tamteratatam - tada - ramtatatata —
    Was danach kam, der tosende Beifall, die Gratulationen der Freundinnen und Mitschülerinnen, Janos, der sie in die Arme nahm und flüsterte: „Jetzt bist du auf dem Weg“, nahm sie kaum war.
    Erst als sie vor dem Spiegel saß, um sich abzuschminken, kam sie zur Besinnung. Das bin ich, dachte Katja. Dieses schöne Mädchen dort bin ich! Sie zog sich die Perücke vom Kopf und fuhr mit den Händen durch ihre Haare. Dann klatschte sie sich einen dicken Klecks Fettcreme ins Gesicht und begann, die Schminke zu entfernen. Danach hielt sie den Kopf unter die Wasserleitung und rubbelte mit einem Tuch die Reste von Fett und Rouge vom Gesicht. Als sie wieder in den Spiegel sah, war sie nicht überrascht, das Mädchen, das sie nun ansah, nicht weniger hübsch zu finden.
    Katja legte den Zeigefinger an die Nasenspitze, drückte sie nach oben und betrachtete ihr Profil. Petra beobachtete sie verstohlen.
    „Ei, wen haben wir denn da?“ fragte Katja geziert. „Die hübsche, aparte, begabte Katja Steinebach. Diese großen Augen! Dieses herrliche Haar! Die märchenhafte Haut, na und die entzückende kleine Nase. Und dabei so klug, das Mädchen! Und haben Sie sie mal tanzen gesehen?
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