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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles
Autoren: Heron Carvic
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er speiste und die das Essen schließlich bezahlte. Sie würde toben, noch ehe sie fertig waren, das würde er schon noch merken. Paß auf, Junge, redete er den abwesenden jungen Mann im Geist an. Denk daran, wo das Geld steckt – drei Reihen funkelnder Diamanten um ihren faltigen Hals, und an ihren Fingern ist genug, um Schlagringe daraus zu machen.
    Also nimm den Job an – wenn du es so nennen willst –, und halt durch, ohne mit jungen Dingern zu flirten.
    Das Mädchen an der Bar wartete, bis die ältere Frau, begleitet von dem jungen Mann, vorbeigegangen war, dann drückte sie ihre Zigarette aus; sie ließ ihren fast unberührten Drink stehen, glitt vom Hocker und folgte ihnen. Kurz darauf stand sie hinter dem Stuhl der älteren, zu stark geschminkten Frau. Sie beugte sich vor und legte mit einer schnellen, nervösen Geste eine Spielmarke auf Feld 31, wo sie mit dem einzigen bereits dort liegenden Jeton Kante an Kante lag. Sie richtete sich auf und zwang sich, gleichgültig auszusehen.
    Der Croupier drehte die Scheibe. »Rien ne vaplus.«
    Ausdruckslose Gesichter beobachteten die springende, klickende Kugel, und nur die Tischplatte hätte unter den gesenkten Lidern in den Augen Habsucht, Hoffnung oder Furcht lesen können. Die Scheibe drehte sich langsamer, das Klicken erklang weniger häufig, und die elfenbeinerne Kugel fiel in das Fach 14, stieg auf die Kante, die sie vom nächsten Fach trennte, fiel zurück, nur um wieder aufzufedern und – als ob sie erschöpft wäre – in das nächste Fach zu purzeln. Weniger als ein Seufzer, ein bloßes Atemgeräusch in der Menge war die Folge.
    »Trente-et-un, noir et impair«, bemerkte der Croupier, und sein gleichgültiger Rechen ging hin und her und strich die meisten Einsätze ein, zahlte dann einige wenige Gewinne aus und stieß zwei Stapel von fünfunddreißig Jetons, die einer seiner Assistenten bereits aufgehäuft hatte, die ganze Länge des Tisches hinunter bis dorthin, wo die beiden Spielmarken auf Nummer 31 sie erwarteten.
    Mit einem Anschein von Langeweile nahm das Mädchen den Gewinn entgegen, obwohl ihre zitternden Hände sie verrieten und ihre Finger zwei Chips fallen ließen. Sie rollten vom Tisch auf den Boden. Der junge Mann, der hinter dem Stuhl der älteren Frau bereitstand, tauchte hinunter und holte sie zurück, wofür er ein kurzes »Danke« erntete. Er langte nach dem Gewinn seiner Begleiterin, nahm ihre Handtasche, ließ ihn hineingleiten und reichte ihr die Tasche, während sie sich von ihrem Sitz erhob.
    Das Mädchen war bereit, den freigewordenen Platz einzunehmen, hielt jedoch einen Augenblick inne, um das Paar zu beobachten, wie es die ganze Länge des riesigen Raumes durchschritt, bis zu den geschwungenen Stufen, die zu einer Hochfläche führten, auf der die Eßtische standen.
    Abscheulich! Er war jung genug, der Sohn, ja der Enkel dieser alten Frau zu sein. Auch wenn er nicht so wirkte, war er doch nichts Besseres als ein Zuhälter, der nach der Pfeife einer geschminkten, häßlichen alten Frau tanzte. Dann wandte sie sich wieder dem Tisch zu; der Stuhl war besetzt. Eine Frau in einem unförmigen Mantel und mit einem Filzhut, der einer Puddingschüssel glich, hatte sich darauf niedergelassen; sie war mit Papier und Bleistift in Kalkulationen über die Folge der Nummern und die Häufigkeit von Rot und Schwarz vertieft.
    »Mesdames et Messieurs, faites vos jeux!«
    Das Mädchen zögerte. Weiterspielen, solange das Glück noch anhielt? Nein. Es war nicht das ihrige – sie war nur dem Beispiel dieser alten Eule gefolgt. Abgesehen davon, man mußte Fortuna danken, wenn sie lächelte, oder sie verließ einen. Ohne das Ergebnis des nächsten Spiels abzuwarten, folgte sie langsam der alten Frau und ihrem Begleiter.
    Die Atmosphäre des Lokals erschien ihr ohne den Anreiz der Roulettescheibe bedrückend. Der Name Zum Goldfisch hatte in der Phantasie des Innenarchitekten nur einen einzigen Funken gezündet, und dieser Einfall war unbarmherzig durch das ganze Kasino hindurch wiederholt worden. Umschlungene Fische in Orange und braunen Tönungen waren hier und da in den dunkelgoldfarbenen Velours des Teppichs und des Brokats der Polstermöbel eingewebt, während Schwärme von Fischen scheu in die Falten der Vorhänge hinein- und wieder hinausschwammen. Gipsabgüsse von Fischen, fachgerecht vergoldet, waren über den Eingängen, an der Decke und rundum auf den Wandtäfelungen angebracht und wirkten wie Kupferformen in einer riesigen Küche. Bei
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