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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles
Autoren: Heron Carvic
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Verbindung gesetzt. Er klang sehr erfreut, und ich entnahm, daß ein Mann unter Anklage gestellt worden ist. Ich höre auch, daß Sie über die hiesigen Ereignisse auf dem laufenden gebracht worden oder – um korrekter zu sein – über die neueste Verwendung von Miss Seeton im Bilde sind.«
    »Ja, Sir.«
    »Und«, er sah Delphick spöttisch an, »Sie sind nicht glücklich darüber.«
    »Nein, Sir.«
    »Ganz recht. Ich habe auch nicht angenommen, daß Sie es sein würden oder voll und ganz sein würden. Daher dachte ich, daß Sie auf dem laufenden gehalten werden sollten. Auf den ersten Blick schien mir das Ersuchen des Betrugsdezernats vernünftig zu sein, ist vernünftig, wenn auch etwas teuer; aber schließlich haben Sie und ich – vor allem Sie – etwas mehr Erfahrung, was Miss Seetons Neigung anbetrifft, unbeabsichtigt tiefer in jeden ihr zugewiesenen Fall verwickelt zu werden. Man möchte fast sagen, ohne ihr Zutun zum springenden Punkt zu werden.«
    Delphick biß sich auf die Lippe. »Es handelt sich nicht so sehr darum, was im Kasino selbst passieren könnte, sondern sie könnte in Schwierigkeiten geraten, wenn sie es mit den Diamanten behängt verläßt und nur ein Kriminalbeamter auf sie aufpaßt. Hätten Sie etwas dagegen, Sir, wenn ich zum Goldfisch hinüberfahre? Ich würde draußen warten, um sicherzugehen, daß sie heil nach Hause kommt.«
    »Ob ich etwas dagegen habe?« Sir Hubert stand auf. »Nein, natürlich nicht. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß irgend etwas Unangenehmes passiert; aber die Erfahrung hat mich gelehrt, daß Miss Seeton und Unannehmlichkeiten nicht zu trennen sind. Wenn Ihnen daher wohler ist – und ich muß zugeben, daß ich Ihre Gefühlsregung teile – und Sie ein väterliches Auge auf das Ereignis heute abend trotz der anfallenden Überstunden halten wollen, dann würde ich sagen, machen Sie’s nur!« Nachdem Sir Hubert sein Ziel erreicht hatte, ohne es ausdrücklich anordnen zu müssen, nahm er seine Handschuhe und ging zur Tür. »Ich muß weg, oder ich komme zu spät, der Botschafter wird beleidigt sein, und wir haben einen internationalen Zwischenfall am Hals.« Er blieb an der Tür stehen. »Die arme Person!
    Das Betrugsdezernat hat zweifellos getan, was es konnte; sie aber derartig aufzuputzen und mit Juwelen zu behängen schmeckt mir nach den zwanziger Jahren. Sie haben, scheint’s, vergessen, daß in allen Spielkasinos der Welt die Leute nicht danach beurteilt werden, was sie tragen, sondern was sie auf den Tisch legen.« Er schüttelte den Kopf. »Arme Miss Seeton. Ich werde das Gefühl nicht los, daß es ein beunruhigender und peinlicher Abend wird.«

2
     
    Was für ein – wirklich, was für ein beunruhigender und peinlicher Abend, überlegte Miss Seeton.
    Man mußte natürlich tun, was einem gesagt wurde. Aber diese Aufmachung, diese Verkleidung schienen ihr irgendwie maßlos übertrieben. Die Perücke – von einem ganz unwahrscheinlichen Lila – war sehr heiß. Gott sei Dank konnte man sich selbst nicht sehen, aber man wußte doch, wie dick das Make-up aufgetragen war. Sie hatte das Gefühl, als ob ihr Gesicht emailliert sei und Risse bekommen könne. Und die falschen Wimpern, die man mit so viel schwarzer Farbe bemalt hatte, waren steif und schwer. Das sehr glänzende Kleid hatte einen langen Rock, der einem sehr gut stand, das mußte man zugeben. Aber – sie blickte an sich hinunter und sah hastig wieder weg – die Taille war zu tief. Und dann die Diamanten! So eine Verantwortung! Natürlich, Leute, die es sich leisten konnten, trugen sie; aber trugen sie wirklich so viele auf einmal?
    Miss Seeton unterdrückte einen Seufzer. Sie hatte das Gefühl, daß es dieser Mrs. Herrington-Casey nicht anstehen würde, wenn sie von ihrer Umgebung ermüdet oder gelangweilt erschiene. Obschon sie es war. Sie hätte niemals gedacht, daß Menschen, die spielten, es so ernst nähmen, ohne zu lachen, ohne erregt zu sein. Das ganze Lokal kam ihr tatsächlich vor wie eine Flitterkramfabrik mit unlustigen Arbeitern, die mechanisch eine Routinearbeit verrichteten. Sie hatte sich gelangweilt, das heißt, bis dieses Mädchen an den Tisch kam. Sie hatte Angst. Diese Tatsache an sich war schon an einem Ort wie diesem merkwürdig. Außerdem war sie ohne Begleitung!
    Auch das fiel ihr auf und erschien ihr seltsam. Man wußte natürlich, daß die Mädchen heute allein ausgehen konnten – und es auch taten –, wohin sie wollten. Aber obwohl sie es konnten, taten sie es nicht.
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