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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles
Autoren: Heron Carvic
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Das heißt, solche Lokale aufzusuchen wie dieses hier. Außer natürlich, wenn es sich um einen bestimmten Mädchentyp handelte. Dazu gehörte dieses Mädchen offensichtlich nicht. Trotzdem war sie allein hier. Und hatte Angst. Miss Seeton hatte zuviel Erfahrung in der Kindererziehung, als daß sie nicht die Furcht unter dem sophistischen Äußeren und spröden Benehmen erkannt hätte.
    Sie legte Messer und Gabel hin. Das Essen war sehr gut. Doch etwas schwer und sie hätte gern ein Glas Wasser gehabt. Sie nippte an ihrem Ingwerbier. Ganz wohltuend, aber so viel Kohlensäure. Es war sehr aufmerksam von dem jungen Mr. Haley – nein, sie mußte daran denken, ihn Tom zu nennen, auch in Gedanken –, den Anschein zu erwecken, als ob sie Sekt tränke, obwohl sie befürchtete, daß der mit Gin gemixte Sekt, den er trinken mußte, zu wirken begann.
    Tom Haley stieß seinen Stuhl zurück. »Kommen Sie, Mrs. H.-C. es ist Zeit, ihnen wieder eins auszuwischen.« Miss Seeton erhob sich gehorsam. Haley stand auf und blinzelte. Er schüttelte den Kopf; ganz schön heiß hier drinnen. Er wandte sich an das Mädchen: »Auch Sie kommen mit, um zu kassieren. Hauen wir sie übers Ohr, solange noch gute Gelegenheit dazu ist.« Ein Gedanke ließ ihn schmunzeln. Bei dem Tempo, das Miss S. vorlegte, sah es nach dem Tanz wegen der Ausgaben für diese Spritztour so aus, als ob der Yard ganz hübsch verdiente. Er hoffte nur, daß sie, wenn die Abteilung ihren Anteil bekommen hätte, Miss S. den Rest als Bonus ließen. Er nahm vorsichtig die Stufen und folgte den beiden Frauen hinunter zu den Tischen, wo Spielerglück sie erwartete.
    Der gleiche Sitz am gleichen Tisch, an dem Miss Seeton vorher gewonnen hatte, war leer.
    Miss Seeton hatte es versucht: Als ausgerechnet sie in ein Kasino und obendrein zum Spielen geschickt werden sollte und auch trotz aller Proteste tatsächlich geschickt wurde, hatte sie es für ihre Pflicht gehalten, sich die Regeln des Roulettespiels und seine Sprache, soweit sie dazu in der Lage war, anzueignen. Sie war daher zur Stadtbibliothek gegangen, um sich die darüber vorhandene Literatur geben zu lassen. Natürlich war es interessant zu erfahren, daß die alten Griechen einen Schild verwendeten und die Römer ein Wagenrad und daß sehr viel später Kardinal Mazarin ein Spiel gefördert hatte, das man Loca nannte – ein sehr merkwürdiges Wort –, wobei es offenbar das erste Mal war, daß man einen Ball in Verbindung mit einer sich drehenden Scheibe benutzte. Aber die Regeln und sein Idiom gingen unglücklicherweise über ihren Horizont hinaus. Und so typisch französisch. Angefangen mit dem Wort pair; vermutlich hieß es, was es sagte; dann impair, douzaine, carré, en plein, colonne, manque, double, à cheval … Sie hatte es wirklich versucht, aber schließlich hatte sie ihre Niederlage eingestehen müssen.
    Miss Seeton öffnete versuchsweise ihre Handtasche und wählte einen blauen Chip, der mit fünfundzwanzig Pence markiert war.
    Jener letzte Ausdruck – à cheval oder »zu Pferde« – mußte sich irgendwie auf die Croupiers beziehen, da das Wort Croupier bedeutete: hinter jemandem auf der Kruppe eines Pferdes reiten. Sie sah zum Tischende hin. Die Idee, daß einer dieser drei eleganten jungen Männer wie eine Schöne aus dem Mittelalter auf dem Hinterteil eines Pferdes daherhopste, brachte sie zum Lachen.
    Das Lachen verging ihr, als Haley ihr die Spielmarke wegnahm, fünf gelbe Chips, die mit zehn Pfund gekennzeichnet waren, aussuchte und sie ihr in die Hand drückte. Miss Seeton rang nach Luft. Sogar mit ihrer Mathematik konnte sie das zusammenzählen. Fünfzig Pfund? Das schien sündhaft extravagant. Sie hatte jedoch nicht das Recht zu argumentieren und tröstete sich mit dem Gedanken, daß diese Summe nur ein Teil von dem war, was sie bereits gewonnen hatte. Zugegeben, als Tom zum ersten Mal gesetzt hatte, um ihr zu zeigen, wie man es machte, hatte er verloren. Aber beide Male, als sie selbst gespielt hatte, hatten sie ihr soviel mehr von diesen Chips, die wie große Flohhüpfspielmarken aussahen, zurückgegeben, als sie gesetzt hatte. Obwohl sie jetzt zu ihrer Erleichterung gewann und es ihr klargeworden war, daß diese verschiedenfarbigen Marken wirklich Geld bedeuteten, erschien ihr alles – nun ja, fast unehrlich. Ohne hinzusehen, schob sie gehorsam den Stapel gelber Jetons auf den Tisch.
    Das junge Mädchen zögerte. Dreizehn? Die Unglückszahl? Und wieder schwarz? Sollte sie es wagen? Ein
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