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Militärmusik - Roman

Militärmusik - Roman

Titel: Militärmusik - Roman
Autoren: Stollfuß
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an und die Menschen, die um sie herum auf ihren Säcken saßen. Dann stiegen wir in den Zug. Die Bücher waren verdammt schwer, ich verdrehte mir fast die Hand. Mischa lachte mich aus. Ich hätte sie doch wegschmeißen sollen, nun war es aber zu spät. Außerdem hatte ich doch eigentlich schon immer eine eigene Bibliothek haben wollen. Vielleicht würden diese dicken, guten Bücher der Anfang sein.
    In unserem Abteil saß noch eine weitere Person, ein rothaariger Deutscher. Er hieß Peter und studierte in Moskau. Nun fuhr er nach Hause – in die Ferien. Ich kletterte auf die obere Liege und las in all meinen Büchern gleichzeitig. Einer der Sciencefictionromane war gar nicht übel:
    Ein Wissenschaftler erfand einen Gerät, das jeden in wenigen Sekunden von einer Stelle zu anderen transportieren konnte – eine so genannte Kommunikationskabine, die wie eine Telefonzelle aussah. Man stieg zum Beispiel in Australien in so eine Kabine ein und ging eine Sekunde später aus der gleichen Kabine in England heraus. Der Wissenschaftler war zuerst von seiner eigenen Erfindung begeistert. Nur ein Haken war dabei: Er wusste selbst nicht genau, wie diese Kabine eigentlich funktionierte. Er hatte sie mehr zufällig entdeckt, eigentlich wollte er einen ganz anderen Apparat konstruieren. Das machte ihm Sorgen, doch ein Freund und Kollege, der geldgierig war, brachte den Wissenschaftler dazu, seine Kabine an die Industrie zu verkaufen. Sie wurden daraufhin als so genannte KK-Stationen zu Tausenden und Millionen produziert. Bald ersetzten die Kabinen alle anderen Transportmittel und wurden immer populärer und billiger. Innerhalb eines Jahres hatte bereits jeder Bürger eine eigene KK-Station zu Hause und ging nicht einmal mehr zu Fuß einkaufen. Der geldgierige Freund hatte sich die Erfindung unter den Nagel gerissen und bereicherte sich daran enorm. Der wirkliche Erfinder untersuchte inzwischen die Kabine weiter und wusste noch immer nicht, was er da eigentlich erfunden hatte. Keiner wusste es, doch alle KK-Stationen arbeiteten zuverlässig. Der Erfinder fing schließlich an zu saufen und weigerte sich als einziger auf der Welt, jemals eine KK-Station zu benutzen. Er wurde für verrückt erklärt und landete in der Klapsmühle.
    Solschenizyn beschrieb, wie die Gefangenen des Archipels ihre Baracken selbst bauen mussten. Sie schliefen im Freien und erfroren einer nach dem anderen. Beim Aufstehen um 5.00 Uhr morgens trugen die Wachsoldaten jedes Mal einige Leichen weg. Eines Tages wachte Solschenizyn auf und spürte nichts. Er konnte seinen Kopf nicht mehr bewegen. Ihm wurde klar, dass er nun tot war, und bald warfen die Soldaten auch seinen Körper in eine Grube am Feldrand. Die Leichen in der Grube wurden alle drei Tage verbrannt. Die verbrannten und danach wieder gefrorenen Knochen rochen stark nach Fleischbrühe und brachten einige besonders hungrige Häftlinge dazu, sich nachts einige Knochen aus der Grube zu klauen und heimlich zu essen.
    Plötzlich erschütterte eine Nachricht die Welt: Ein junger Mann aus England, der Buchhalter einer Textilfabrik, war verschwunden – und zwar in seiner KK-Station. Dieser vor kurzem noch unbedeutende Mann spielte nun für die ganze Menschheit eine überaus wichtige Rolle. Er war, um zur Arbeit zu gelangen, in die Kabine gegangen und nicht mehr herausgekommen. Nirgendwo. Die Suche nach dem Buchhalter verwandelte sich in die Suche nach dem Erfinder, der zu diesem Zeitpunkt schon längst aus der Klapse abgehauen war und nun in einem Versteck auf das Ende der Welt wartete. Der geldgierige Freund fand ihn jedoch und gab ihm Geld, um weitere Untersuchungen an der Kabine vorzunehmen.
    Der Freund wurde von Gewissensbissen geplagt und sagte zu dem Wissenschaftler: »Wir müssen das Geheimnis dieser Kabinen aufklären, das sind wir der Menschheit schuldig.«
    »Nein«, sagte der Wissenschaftler.
    Mischa hatte unterdessen einen Amerikaner in unser Abteil gelockt, der sich auf einer Osteuropa-Reise befand und alles total spannend und cool fand. Ihm und dem Studenten Peter versuchte Mischa nun den Grund für unsere Reise zu erklären, obwohl seine Sprachkenntnisse in allen Sprachen außer Russisch gleich Null waren.
    »Germany – gut!«, fuchtelte Mischa mit den Händen, »Russian-Alarm!« Dabei riss er die Augen ganz weit auf.
    Der Amerikaner konnte ihn gut verstehen. »Don't worry«, sagte er, »relax, everything will be okay.«
    Eigentlich sollte ich auch ein wenig Deutsch im Zug lernen, so war es
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