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Militärmusik - Roman

Militärmusik - Roman

Titel: Militärmusik - Roman
Autoren: Stollfuß
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hinterherreisen.
    Die Mutter von Katzman rief mich an. Man hatte sie benachrichtigt, dass ihr Sohn sich in psychiatrischer Behandlung befand. Doch in welchem Krankenhaus, konnte sie nicht rauskriegen. Mammut und ich gingen zur Miliz. Vor dem Informationsschalter wartete bereits eine Schlange. Die meisten suchten nach ihren Verwandten und Bekannten, die wegen des französischen Busens ihren Kopf verloren hatten. Der Beamte hinter der Scheibe hielt einen Karton auf dem Schoß, der voll mit sowjetischen Pässen war. Er musste alle Formulare per Hand ausfüllen. Damals gab es noch keine Computer.
    »Wie, sagt ihr, heißt euer Freund mit Nachnamen?«, fragte er uns, als wir endlich dran waren. »Oder sagt mir lieber, wo sein Pass ausgestellt wurde, ich habe sie hier nämlich nach den Nummern der Behörden sortiert.«
    Das bremste uns überraschend aus, denn wir wussten nicht, wie Katzman mit Nachnamen hieß, wir kannten nur seinen Vor- und Spitznamen. Die Nummer seines Passes wussten wir auch nicht. Deswegen versuchten wir es andersherum:
    »Unser Freund sitzt in der Klapsmühle, allein und total verwirrt. Er braucht dringend unsere Hilfe, und wir werden ihn ohne Ihre Unterstützung niemals finden. Lassen Sie uns doch rein, wir sehen alle Pässe durch«, baten wir den Milizionär.
    Er war ein guter Kerl. »Wir leben in harten Zeiten«, erwiderte er, »nicht nur euer Freund, viele Freunde sitzen derzeit in der Klapse. Sind selber schuld. Es ist gegen die Vorschrift«, murmelte er unzufrieden, aber dann ließ er uns doch an den Karton ran.
    Nach einer Weile fanden wir Katzmans Pass. Unser Freund hatte Glück gehabt. Er war in die beste Psychiatrie der Stadt eingeliefert worden, in die berühmten »Weißen Säulen«.
    »Wisst ihr, wie man da hinkommt?«, fragte uns der Milizionär.
    »Klar!«, sagten Mammut und ich sofort.
    Der Beamte spitzte sofort die Ohren: »Woher wisst ihr das? Wart ihr schon mal da?«
    »Nein, nein«, verteidigten wir uns. »Das ist doch klar, wie man hinfährt«, klärte Mammut den Beamten auf, »entweder benutzt man ein privates Fahrzeug oder man nimmt die öffentlichen Verkehrsmittel in Anspruch, einen Bus zum Beispiel oder die Straßenbahn.« Seine eiserne Logik überzeugte den Beamten.
    »Ich sehe schon, Jungs, ihr seid in Ordnung«, sagte er und rückte die Adresse raus.
    Wir nahmen die Straßenbahn und fuhren durch die ganze Stadt zu den »Weißen Säulen«. Das Krankenhaus befand sich in einem Park in der Nähe der Stadtgrenze. Auch in dieser abgelegenen Gegend konnte man schon die Spuren der allgemeinen Demokratisierung des Landes sehen: Viele Patienten des Krankenhauses irrten im Park herum. Nur wenige trugen Krankenkittel, die meisten waren bunt angezogen, und einige liefen sogar fast nackt durch die Gegend. Am Haupteingang saß eine freundliche Krankenschwester, die uns in falschem Italienisch begrüßte.
    »Buenos Dias, Seniores«, sagte sie zu uns und erklärte dann: »Ja, ja ich bin eine Italienerin, Sie sollten sich darüber nicht wundern.«
    »Tun wir auch nicht«, versicherten wir ihr.
    Die Krankenschwester sagte uns, in welchem Zimmer unser Freund steckte und fügte dann besorgt hinzu: »Oh, Zimmer 618 – ein langer Weg. Kommen Sie, ich werde Sie begleiten.«
    Sie stand auf und holte eine massive Türklinke aus dem Schreibtisch. Mammut und ich waren zum ersten Mal in den »Weißen Säulen«. Wir versuchten mit der Italienerin im Gleichschritt zu gehen und nicht zurückzubleiben. Zwischen den langen engen Korridoren, die ineinander liefen, gab es immer wieder eine Tür, die unsere Italienerin mit ihrer Klinke energisch öffnete und mit Kraft hinter uns wieder zuschlug. Es war unheimlich. Ohne diese Klinke der Italienerin würden wir hier nie wieder rauskommen. Auch unsere Führerin war merkwürdig. Sie guckte seltsam, sie ging seltsam, sie hatte eine seltsame Frisur: Ihre Haare waren zu einer runden Kugel zusammengekämmt, eine Frisur, die der Volksmund Läusehaus nannte. Und wieso war sie eigentlich Italienerin?
    Das Krankenhaus, das von außen wie eine harmlose Villa aussah, erwies sich als eine riesengroße Burg. Mindestens zwanzig Türen knallten hinter unseren Rücken zu, bevor wir das Zimmer 618 erreichten.
    »Hier wohnt Ihr Freund«, sagte die Italienerin, dann zog sie eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Tasche und drückte sie mir in die Hand. »Rauchen darf man nur im Aufenthaltszimmer, geradeaus und dann links, wo der Fernseher steht. Ich hole euch in einer Stunde dort
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