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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder
Autoren: Evelyn Sanders
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Kapitel 1
    N ein! Nicht schon wieder eine Hochzeit! Ich zahle ja noch an der letzten!«
    Es war Rolfs Entsetzensschrei, der durch das ganze Haus gellte, jedoch sofort von Steffis noch lauter gebrülltem Protest übertönt wurde: »Übertreib nicht so maßlos! Wir haben im Juli schon unseren dritten Hochzeitstag, und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du die Sauna in monatlichen Raten abstotterst. Schon wegen der Zinsen! Und sooo kostenintensiv kann sie überhaupt nicht gewesen sein! Wenn wir nämlich mal zu viert drinsitzen, hat jeder Einzelne höchstens so viel Platz wie auf’m Baustellen-Klo.«
    Das allerdings stimmte! Mit dem ungefähr dreifachen Volumen einer normalen Hundehütte füllt dieser Holzverschlag die für ihn vorgesehene Fläche im Bad restlos aus, hätte also gar nicht größer sein dürfen, doch die optische Symmetrie des Raumes war auf Kosten der Bequemlichkeit gegangen, was Schwiegersohn Hannes im Nachhinein bedauert, Schwiegervater Rolf dagegen gleich von vornherein außerordentlich begrüßt hatte.
    Eine größere Sauna wäre um einiges teurer gewesen, und die Aussicht, sie hin und wieder benutzen zu können, hatte Rolf sowieso nicht gereizt. Er hasst saunieren und hat unser Hochzeitsgeschenk nur ein einziges Mal betreten. Das war damals im Hochsommer gewesen, als das Möbel endlich installiert worden war, die künstlichen Kohlen noch nicht geglüht hatten und die einzigen Tropfen auf dem Fichtenholzboden die aus dem Sektglas gewesen waren, mit denen die Sauna höchst feierlich ihrer Bestimmung übergeben worden war.
    »Ich rede ja nicht von deiner Hochzeit«, hörte ich den mir vor einigen Jahrzehnten angetrauten Ehemann seine Tochter anblaffen, »sondern von Saschas. Die war teurer!«
    »Wieso?«, hakte Stefanie sofort nach. »Ich denke, jeder kriegt die gleiche Summe, wenn er heiratet.«
    »Das ja, doch für Saschas Auftrieb musste ich mich – übrigens auf ausdrücklichen Wunsch deiner Mutter! -zusätzlich komplett neu einkleiden, weil ich mich in meinem dunklen Anzug angeblich nicht mehr sehen lassen konnte.«
    »Das hättest du schon bei unserer Hochzeit nicht gekonnt«, knurrte Steffi, »aber wir haben ja auch nicht bei Grafens gefeiert, und für ein simples Restaurant am Stadtrand waren grauer Zwirn und Hose mit Schlag natürlich gut genug, auch wenn das edle Teil mindestens fünfzehn Jahre alt gewesen ist.«
    »Siebzehn!«, sagte Rolf. »Aber höchstens zweimal pro Jahr getragen.«
    Das hatte man ihm auch angesehen! Und wenn ich nicht schon Wochen vor Saschas Hochzeit bei eben jener Hose heimlich die wichtigste Naht mit einer Rasierklinge angeritzt und danach auf einer Kostümprobe bestanden hätte, wäre der ›gute Anzug‹ bestimmt ein weiteres Mal zum Einsatz gekommen. So aber gab es gleich beim Hinsetzen ein unverkennbares und sehr unangenehmes Geräusch, das sogar meinen Mann überzeugte. Kopfschüttelnd hatte er die aufgeplatzte Naht betrachtet. »Das kann man wohl nicht mehr reparieren?«
    »Doch, könnte man«, hatte ich ganz lässig gesagt, »würde aber nichts nützen, weil es doch wieder reißt. Ich passe auch nicht mehr in meine Kleider von vor zwanzig Jahren« (wäre fatal, am Ende müsste ich sie wirklich noch tragen!), »finde dich also damit ab, dass auch du mindestens eine Nummer größer brauchst.«
    Wohlversehen mit den Adressen einschlägiger Herrenausstatter war er tatsächlich ganz allein losgezogen und erst nach Ladenschluss zurückgekommen, mit nicht nur einem Anzug, sondern zweien, dazu einem halben Dutzend Hemden, drei Krawatten und sündhaft teuren Schuhen. »Ich wusste gar nicht mehr, dass neue Anzüge gleich auf Anhieb so bequem sein können«, hatte er gestaunt und sie mir noch am selben Abend vorgeführt. »Die sitzen doch erstklassig, nicht wahr? Waren ja auch nicht ganz billig.«
    »Sie werden sich schon noch amortisieren«, hatte ich ihn getröstet und taktvoll verschwiegen, dass die Hosen nicht nur eine, sondern sogar zwei Nummern größer waren als seine anderen. »Immerhin musst du im Laufe der nächsten Jahre noch zwei Töchter verheiraten und eventuell auch irgendwann deinen ältesten Sohn.«
    »Den bestimmt nicht!« Behutsam hatte Rolf die Jacketts auf die vorsorglich mitgebrachten breiten Bügel gehängt (normalerweise genügt ihm für diesen Zweck die Stuhllehne) und sich zu mir umgedreht. »Als ich unlängst mal auf den Busch geklopft und gefragt habe, ob das mit seiner Sandra etwas Ernstes sei, hat er bloß genuschelt: ›Heirate
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