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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition)
Autoren: Paolo Roversi
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wissen die Bullen, und das weiß Robertino, der trotz seines jungen Alters schon einmal im Jugendknast war und ein gewisses Geschick für Wohnungseinbrüche mitbringt. Er ist bei den Jungs aus dem Stadtteil Lambrate in die Lehre gegangen: Zuerst klaute er Lkw-Ladungen, dann Käse auf Spritztouren durch die Poebene, schließlich war die Villa am Comer See an der Reihe. Ein aufgeweckter Junge, der vor nichts zurückschreckt.
    Der Amerikaner wollte zunächst nichts davon wissen.
    »Zieh Leine«, hatte er ihm bei dem ersten Kontaktversuch gesagt.
    Robertino hatte seinem Blick standgehalten und war keinen Schritt zurückgewichen. Und er war jeden Tag wiedergekommen, eine ganze Woche lang. Beim letzten Mal hatte er sich sogar eine Backpfeife gefangen, hatte aber weder geklagt noch geheult. Das war gut angekommen.
    »Einverstanden«, hatte der Amerikaner schließlich eingelenkt, »aber wenn etwas schiefgeht, lässt du dich nie wieder blicken. Ende der Diskussion.«
    Robertino nickte. Ein Lächeln wäre zu viel gewesen, obgleich das die Gelegenheit war, auf die er immer gewartet hatte.
    Der Amerikaner war in sich gegangen: Auch er hatte einmal so angefangen, mit einem Vorbild, das erfahrener war als er und ihn angeleitet hatte. Sein Lehrer war der Baron gewesen.
    Er hatte ihn als Teenager kennengelernt, als er zum Aufpolieren seiner Finanzen Mofas geklaut und bereits erste Anzeigen wegen Randale und Diebstahl kassiert hatte. Ein Großmaul, sicher, aber eins mit Erfahrung, so dass sein Mentor auf ihn aufmerksam geworden war. Eben der Baron, der in Wahrheit im Viertel Ticinese auf die Welt gekommen war und sich mit Hilfe von Maßanzügen und vornehmen Umgangsformen als feiner Herr gerierte, so geschickt, dass es ihm jedermann abkaufte. Allen voran die Madama.
    Die erste Aufgabe des Amerikaners – damals noch ohne Spitznamen und für alle nur Leandro Lampis – war, den Baron durch die Gegend zu kutschieren, und zwar am Steuer eines Cadillacs. Zusammen stahlen sie Hühner am Großmarkt. Der geräumige Kofferraum der amerikanischen Limousine umfasste einige Zentner, und wenn die Bullerei den Wagen zufällig für eine Kontrolle anhielt, war die breite Brust des vornehmen Barons mit eigenem Chauffeur so respekteinflößend, dass eine Durchsuchung nicht in Frage kam.
    Dies war sein Sprungbrett gewesen. Der Cadillac blieb ihm als Erbe, als der Baron in den Knast wanderte, weil irgendwann ein Maresciallo Verdacht geschöpft und sich zu einer Durchsuchung durchgerungen hatte. Das war’s dann gewesen.
    Bei einem Altwarenhändler vervollständigte Lampis seine Ausrüstung durch eine Smith & Wesson, Kaliber .45 mit langem Lauf, die früher der kanadischen Polizei gehört hatte: ein Kriegsüberbleibsel ohne Munition, da Patronen für dieses Kaliber nicht mehr aufzutreiben waren. Dennoch war es dieser Revolver zusammen mit dem schwarzen Cadillac, der ihm seinen ersten Spitznamen eingetragen hatte: der Amerikaner.
    Auf sich allein gestellt hatte er die ersten Schritte der angestrebten Karriere unternommen: die eines Bankräubers. Welche der Wahrheit zuliebe eher zufällig ihren Anfang nahm, nämlich in einem Postamt der Peripherie. Dorthin hatte es ihn wegen einer Stromrechnung seiner Tante verschlagen, die er bezahlen sollte. Es war kurz vor Schalterschluss, und der Postbeamte hielt es nicht für nötig, von seiner Abrechnung aufzuschauen. Lampis war nervös geworden, hatte mit der Faust auf den Schalter geschlagen und dabei versehentlich das Schießeisen in seinem Gürtel freigelegt. Der Postbeamte, der ihn für einen Bankräuber hielt, hatte ihm verängstigt eine Million Lire ausgehändigt. Herrliche dané – ein Geldsegen.
    Ohne mit der Wimper zu zucken, steckte der Amerikaner die Knete ein und floh. Draußen überkam ihn eine ganz ungewohnte Leichtigkeit. Er hatte seinen ersten Überfall begangen und spürte weder Angst noch Reue. Eher das komplette Gegenteil. Er fühlte sich stark, mächtig. Gedanken, die ihn zu dem Schluss brachten, dass Banküberfälle sein eigentliches Metier seien, weil sie im Gegensatz zu vielen anderen Tätigkeiten – also beispielsweise jeder beliebigen ehrlichen Arbeit – selbst dann gelangen, wenn sie gar nicht beabsichtigt waren.
    »Wach auf, Junge. Du bist da.«
    Robertino schlägt die Augen auf. Der Wagen hält auf der Piazza Napoli.
    Der Amerikaner drückt ihm ein Bündel Banknoten in die Hand.
    »Das ist dein Anteil. Hast du gut gemacht. Wir sehen uns bald wieder.«
    Der Junge blickt dem protzigen
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