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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition)
Autoren: Paolo Roversi
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beteiligt, doch wenn er gewollt hätte, wäre auch für ihn ein Blaumann zur Hand gewesen.
    »Und dieser leere Overall wird dir zum Verhängnis werden«, sagt er. »Den perfekten Plan gibt es eben doch nicht.«
    Er zündet sich eine Zigarette an und lässt sich im Stuhl zurücksinken.
    Bei ihm ist Achille Piazza, Hauptinspektor des mobilen Einsatzkommandos. Sie haben die ganze Zeit über Seite an Seite gearbeitet. Piazza ist um einiges jünger als Nicolosi, hat aber schon wichtige Erfolge eingefahren. Er ist eine Bulldogge, einer, der nicht lockerlässt. Unverheiratet, launisch und wortkarg, kein Privatleben, wenig Schlaf. Er hat sich sogar eine Matratze ins Büro gelegt, da er sich seine kurze Nachtruhe häufig genug im Polizeipräsidium der Via Fatebenefratelli holt.
    Bei genauerer Untersuchung des Blaumanns fällt Piazza das entscheidende Detail auf, der Riss in dem perfekten Plan: die Etiketten.
    Er liest laut vor, was darauf steht: »Arbeitsbekleidung Malpighi, Stoffe und Kleidung, Via dei Servi 32, Modena.«
    »Wer vertreibt deren Sachen hier in Mailand?«, fragt Nicolosi.
    »Das weiß ich noch nicht«, erwidert Piazza, »werde es aber im null Komma nichts herausfinden.«
    In weniger als einer Stunde wissen sie, welcher Händler die Anzüge verkauft hat. Der Mann führt einen kleinen Laden im Molino delle Armi und kann sich noch an den Kunden erinnern, einen jungen Italiener. Der ist bei der Madama kein Unbekannter, er heißt Stefano Pozzi, seines Zeichens Kleinkrimineller, der von Diebstahl und Trickbetrug lebt. Der Mann wird festgenommen und ist sofort bereit zu kooperieren, um nur nicht in diese Bankraub-Geschichte verstrickt zu werden. Also redet er. Er redet von seinen Vermutungen, nennt Vor- und Nachnamen. Vor allem einen, den des Mannes, an den er die Overalls verkauft hat: Vincenzo Mariani, seit Ewigkeiten Carminatis ›Sozius‹.
    Nun läuft die Sache wie von selbst. Nicolosi bekommt endlich einen Tipp von seinen Zuträgern: Er erfährt den Namen des Automechanikers, der den beim Coup benutzten Fiat 1400 in Schuss gebracht hat. Auch dieser Mann lässt sich nicht lange bitten und verrät, wem er ihn übergeben hat: einem Typen mit ellenlangem Vorstrafenregister.
    Das Organigramm der Bande nimmt schnell Gestalt an. Zeitgleich genießen die ahnungslosen Banditen die Früchte ihrer Arbeit und investieren eifrig in Champagner und Animierdamen. Vor allem die beiden, die es sich in Cervinia gemütlich gemacht haben und ihr Leben genießen. Bei ihnen klicken die Handschellen als Erstes.
    In der Abgeschiedenheit des Vernehmungsraumes schreiten die Beamten nicht gerade zimperlich zur Tat, und es dauert keine Stunde, bis die zwei auspacken. Das Luftschloss bricht zusammen, und ein Ganove nach dem anderen wandert in die Zelle. Als Letzter Carminati, das Gehirn.
    Ihm auf die Spur zu kommen, ist etwas mühsamer: Ein paar Tage nach dem Überfall hat er sich nach Venezuela abgesetzt. Doch auch er begeht einen unverzeihlichen Fehler. Er schickt zwei Freunden aus Ticinese eine Hochglanzkarte mit dem Panorama der Wolkenkratzer und einem einzigen Wort: Umberto . Das reicht den Männern von Interpol, um ihn aufzutreiben. Eines Morgens in aller Frühe stehen sie in seiner Villa in Caracas. Carminati, im seidenen Morgenrock, bekommt beim Anblick der Beamten ganz weite Pupillen und rauft sich die Haare: »Man hat mich bestohlen!« Tausendzweihundert Dollar hat es ihn gekostet, hierherzukommen, und ebenso viel musste er an diesen Gauner von der Behörde abdrücken, der ihm geschworen hat, dass Venezuela die Auslieferung verhindern würde.
    Betrogen von einem Betrüger.
    Als er nach Mailand zurückgeschickt wird, empfängt Nicolosi ihn am Flughafen. Das Blatt hat sich gewendet, und die zwei Männer sehen sich wortlos an. Es ist der Gangster, der das Schweigen bricht und bittet, ihm die Handschellen abzunehmen, damit er ihn begrüßen kann. Stumm schütteln die beiden sich die Hand.
    Im Polizeipräsidium, das aus Platz- und Personalgründen in eine Militärkaserne verlegt wurde, herrscht mittlerweile pure Euphorie: Die Bösen sind hinter Schloss und Riegel, und die Beute ist fast vollständig wieder aufgetaucht.
    Nicolosi erreichen Glückwunschschreiben und Belobigungen aus dem Ministerium und von Vorgesetzten, Piazza bekommt die langerwartete Beförderung, und in der Kirche Santa Rita wird sogar ein Dankgottesdienst abgehalten.
    Ein paar Tage später liest Antonio, der die Sache mit Feuereifer in der Tagespresse verfolgt hat,
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