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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer
Autoren: Andreas Stammkötter
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mit Büroarbeit zugebracht. Es hatte sich einiges angestaut, was abgearbeitet werden musste. Diesen Kampf mit den Papierbergen hasste Kroll wie die Pest und er hatte sich schon 100 Mal vorgenommen, diese Verwaltungsvorschriften zu ändern, wenn er einmal Bundeskanzler oder mindestens Justizminister werden sollte. Zum Glück hatte er Wiggins, der ihm einen Großteil der lästigen Arbeit geduldig abnahm.
    Kroll blickte von einer Akte auf. »Du hast gar nichts mehr von deiner Karriere im Innenministerium erzählt. Wie hast du dich denn jetzt entschieden?«
    »Es ist mir gelungen, noch eine Woche Bedenkzeit herauszuschinden. Die scheinen da ziemlich scharf auf mich zu sein, sonst wären die nicht so großzügig. Morgen ruf ich den Minister persönlich an.«
    »Und …?«, fragte Kroll.
    »Lass mich noch ’ne Nacht drüber schlafen. Natürlich habe ich meine Entscheidung bereits so gut wie getroffen. Ich möchte aber jetzt nicht noch mal darüber diskutieren.« Er lächelte Kroll an. »Du bist ja so oder so unzufrieden. Wenn ich hierbleibe, weil ich meine Karriere versaut habe, und wenn ich gehe, weil ich dich alleine lasse. Also was soll’s?«
    »Meine Meinung kennst du. Halt dich bloß nicht für unersetzlich!« Damit wollte Kroll eigentlich nur betonen, dass Wiggins in erster Linie an sich denken und nicht auf ihn Rücksicht nehmen sollte. Er konnte seinem Partner jedoch ansehen, dass diese Bemerkung ihn getroffen hatte. »Du weißt, wie ich das meine. Ich würde dich natürlich extrem vermissen, aber denk doch bitte auch mal an dich.«
    »Schon gut«, antwortete Wiggins. Er sah auf die Uhr. »Gehen wir noch ein Bier trinken, Gottschedstraße oder ins Spizz?«
    Kroll schaute instinktiv auf die Uhr. »Tut mir leid, mein Freund. Ich bin heute keine angenehme Gesellschaft mehr. Ich bin einfach nur hundemüde. Ich fahr nach Hause und leg mich ins Bett. Aber morgen bin ich bestimmt wieder fit!«

    Kroll parkte sein Auto in der Tschaikowskistraße. Er hatte gerade die Fahrertür abgeschlossen, als sich sein Handy meldete. Er schaute aufs Display. Liane Mühlenberg.
    »Hallo, Kroll! Ich wollte mich nur zurückmelden. Ich bin wieder im Lande!«
    Kroll blieb vor dem Haus stehen, um guten Empfang zu haben. »Na wunderbar. Hast du alles gut überstanden?«
    »War halb so wild. Der Tag nach der OP war übel, aber sonst ging es einigermaßen. Die Schmerzen in der Brust sind schon weniger geworden. Am Anfang hat das vielleicht gezwiebelt, das kannst du dir gar nicht vorstellen.«
    »Na ja«, bemerkte Kroll. »Wenn man in einen so schlanken Körper etwas reinstopft, das braucht seine Zeit.«
    »Was piepst denn bei dir so ununterbrochen?«
    Kroll musterte sein Handy. »Mein Akku ist gleich leer. Aber du hast noch gar nichts von dem Ergebnis deiner Behandlung erzählt.«
    Lianes Stimme war überschwänglich. »Ich finde sie einfach klasse, die beiden! Es hat sich echt gelohnt! Endlich kann ich auch mal ein Kleid mit Dekolleté anziehen oder ein Oberteil mit V-Ausschnitt.« Sie machte eine kleine Pause, wurde zögerlicher. »Eigentlich musst du dich selbst von dem Ergebnis überzeugen, ich meine natürlich nicht, dass du …. also denke jetzt bitte nicht etwas Falsches von mir … ach Scheiße, Kroll. Was ich eigentlich sagen wollte … ich habe dich in dieser Woche sehr vermisst.«
    Kroll wusste nicht so recht, wie er auf Lianes Worte reagieren sollte. Er versuchte, etwas Zeit zu gewinnen. »Dann muss es ja wirklich sehr schlimm gewesen sein, im Krankenhaus.«
    Ihre Stimme wurde leise. »Kroll?«
    »Ja?«
    »Kannst du nicht einmal ernst bleiben?«
    Kroll ging vor dem großen Gründerzeithaus auf und ab. »Ich werde mir Mühe geben.« Er wusste, dass Liane förmlich darauf wartete, dass er sie fragte, ob sie noch vorbeikommen wollte. Aber irgendwie brachte er die Frage nicht über seine Lippen. Er konnte schwerlich sagen, woran das lag, ob an seiner Müdigkeit oder einfach daran, dass ihm die ganze Sache zu schnell ging. Eigentlich mochte er Liane ja gerne, sogar sehr gerne, aber irgendwie konnte er eine gewisse Zurückhaltung einfach nicht beiseite schieben. Er spürte, dass er die eingetretene Stille unterbrechen musste.
    »Du, Liane … hör mal …« Kroll vernahm noch einen kurzen Piep-Ton, dann wurde das Display seines Handys dunkel. Der Akku war leer.
    Er steckte das Telefon in seine Hosentasche und betrat das Haus. Als er in seiner Wohnung war, schaltete er den Fernseher an. Zum Glück lief ein Fußballspiel. Einen
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