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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer
Autoren: Andreas Stammkötter
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dass er Mühe hatte, sein Bier im Mund zu behalten. »Und alles wegen dir?«
    »Ich warte erst mal das Ergebnis ab«, bemerkte Kroll trocken.

ACHT
    Die nächsten Tage vergingen ereignislos. Die Suche nach Goran lief auf Hochtouren, aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Nicht nur Einsatzkräfte aus Leipzig waren an der intensiven Suche beteiligt, sondern Beamte aus ganz Sachsen. Alle Bemühungen schienen umsonst zu sein.
    Einzig Oskar Jäger konnte die spärlichen Ermittlungsergebnisse ein wenig aufbessern. Seine mühsamen Recherchen in Berlin brachten langsam Klarheit in die verworrenen Strukturen. Das Ministerium für Staatssicherheit hatte insgesamt elf Raubvogelaufträge an seine Mitarbeiter vergeben. Alle sollten den der Republikflucht beschuldigten Fußballer Lars Ehrentraut töten. Einige hatten mit vorgeschobenen Begründungen abgelehnt, andere hatten den Auftrag zwar angenommen, waren aber selbst im Westen geblieben. Ausgeführt hatte die Order letztendlich ein Inoffizieller Mitarbeiter, der den Decknamen ›Kohlhaas‹ trug. Oskar Jäger fand heraus, dass es sich hierbei um den ehemaligen Soldaten und damaligen Kommissar der Volkspolizei Bernd Vogelsang handelte. Die Einzelheiten der Auftragsdurchführung konnte Jäger nicht mehr aufklären, weil die maßgeblichen Akten und Dateien vernichtet worden waren. Jäger fand jedoch eine Aktennotiz, auf der die Wörter ›Alkohol‹ und ›Aufblenden‹ notiert waren. ›Kohlhaas‹ hatte die Notiz selbst geschrieben. Dies war der letzte Beweis, nach dem sie lange gesucht hatten: Bernd Vogelsang hatte Lars Ehrentraut getötet.
    Dieser dunkle Schatten in Vogelsangs Vergangenheit war natürlich mehr als eine schwerwiegende Belastung. Ein Hauptkommissar der Kriminalpolizei, zudem einer, der mit Führungsaufgaben betraut war, war Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit. Und nicht nur das: Er hatte den heimtückischen Mord an einem prominenten Sportler ausgeübt und sich eines schweren Verbrechens schuldig gemacht.
    Kroll klappte die Akte zu. »Wenn das herausgekommen wäre, wäre der Vogelsang achtkantig aus dem Polizeidienst geflogen … wenn die ihn nicht noch verhaftet hätten!« Er dachte nach. »Das machte ihn natürlich erpressbar!«
    Wiggins nickte. »Und jetzt sind wir kurz vor des Rätsels Lösung. Wir müssen …«, Wiggins machte mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft, »… nur noch herausfinden, wer ihn erpresst hat.«
    »Die Verbindung zu Goran«, bemerkte Kroll emotionslos.
    »Die Verbindung zu Goran«, wiederholte Wiggins.
    Auf den ersten Blick schien es keine Beziehung zwischen Vogelsang, Ehrentraut und Goran zu geben.
    »Glaubst du, Vogelsang hilft uns?«, dachte Kroll laut.
    »Wie geht’s ihm eigentlich?«, fragte Wiggins.
    »Die Ärzte machen sich keine Hoffnung. Sie haben ihn noch operiert, aber er will sich überhaupt nicht von der OP erholen. Er liegt auf der Intensivstation und dämmert vor sich hin. Er wird künstlich ernährt und beatmet. Sie sagen, er habe sich selbst aufgegeben. Kein Funken Überlebenswille. Er hatte eine Patientenverfügung im Portemonnaie. Wenn sich sein Zustand nicht bessern sollte, liegen bald die rechtlichen Voraussetzungen vor, die Geräte abzustellen.«
    Wiggins nickte wieder. »Zurzeit können wir wohl nicht viel machen!«
    »Gar nichts!« Kroll goss sich eine neue Tasse Kaffee ein. »Wir müssen diesen Goran endlich verhaften. Dann können wir den Fall zu den Akten legen.«
    »Wir haben nur noch Peter Eimnot. Wir sollten dem noch mal auf den Zahn fühlen.«
    »Was soll das bringen? Der hat doch nichts zu verlieren! Der wird den Teufel tun, uns weiterzuhelfen.«
    Teufel ist eine gute Beschreibung, dachte Wiggins.
    Kroll stand plötzlich auf und griff nach seiner Jacke. Das Untätigsein nervte ihn. »Komm! Wir statten diesem Eimnot doch einen Besuch ab. Ist immer noch besser, als Däumchen zu drehen!«

    Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Den Polizisten bot sich das gleiche Bild wie bei ihrem letzten Besuch. Peter Eimnot saß in seinem spärlich eingerichteten Wohnzimmer, rauchte selbst gedrehte Zigaretten und trank Bier. Im Fernseher lief eine Talkshow. Widerwillig bat Eimnot die Polizisten, einzutreten und setzte sich in den abgewetzten Sessel. Er gab vor, desinteressiert zu sein, drehte sich abermals eine Zigarette und sah die Polizisten unfreundlich an.
    »Und … was wollen Sie schon wieder?«Wiggins beschloss, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. »Wir wissen inzwischen, dass ein
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