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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer
Autoren: Andreas Stammkötter
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eingeladen, die ihn am Anfang seiner schriftstellerischen Karriere, als er noch ein unbekannter Autor war, unterstützt hatten: Das Team des kleinen Brumme Verlages, das den Mut hatte, mit einem jungen Autor auf den Markt zu gehen. Frau Funker, die seine Romane gerne an repräsentativer Stelle in ihrer Buchhandlung auslegte und ihm nicht erklärte, sie habe vor lauter Harry-Potter-Besen eigentlich keinen Platz mehr für seine Bücher. Die Leipziger Unternehmer, die sich dazu entschieden hatten, ihren Kunden zu Weihnachten keine Kalender, sondern seine Bücher zu schenken. Den Unternehmensberater, der ihn regelmäßig zu Veranstaltungen eingeladen und ihm so eine Plattform geschaffen hatte, um wichtige Kontakte zu knüpfen. Eingeladen hatte er auch seinen alten Schulfreund Wiggins, jetzt Hauptkommissar bei der Kripo Leipzig, der jedes seiner Manuskripte geduldig auf Rechtschreibfehler durchgesehen hatte. Die Presse war aus gutem Grund nicht zugegen: Als er sie gebraucht hatte, hatte sich kein einziger Reporter für ihn interessiert. Und jetzt, wo er berühmt war, rannten sie ihm die Bude ein und gingen ihm häufig auf die Nerven.
    Geladen waren ungefähr 100 Personen, für jeden Einzelnen hatte Lachmann seinen neuen Roman mit einer persönlichen Widmung versehen. Als Veranstaltungsort hatte Lachmann die Sächsische Pfeifenstube im Petersteinweg ausgesucht, ein traditioneller Tabak- und Pfeifenladen, in dem noch liebevoll handgefertigte Pfeifen verkauft wurden. Lachmann liebte die Pfeifenstube aus mehreren Gründen. Zum einen hatte er dort seine Lesungen in den Anfangszeiten abgehalten und verband mit ihr angenehme Erinnerungen. Zum anderen gab der aromatische Duft des Tabaks und die unendliche Menge der Pfeifen der Veranstaltung eine Sherlock-Holmes-Atmosphäre, die ausgezeichnet zu seinen Kriminalromanen passte. Ein weiterer Vorteil lag darin, dass sich schräg gegenüber eine Kneipe befand, in der er mit seinen Gästen nach der Lesung noch die Premiere feiern wollte. Es sollte ein runder Abend werden.
    In der Sächsischen Pfeifenstube konnte man nicht mehr als 50 Stühle aufstellen, circa 30 Personen würden sich auf die Treppe setzen, der Rest musste sich mit einem Stehplatz zufriedengeben.
    Wiggins war früh gekommen und hatte sich dadurch einen Platz in der ersten Reihe ergattert. Er streckte langsam seine langen Beine aus. Die Wartezeit überbrückte der Polizist, indem er seine runde Brille säuberte, die ihm zusammen mit den gescheitelten Haaren ein intellektuelles Aussehen verschaffte. Ein Eindruck der durchaus nicht täuschte. Wiggins war Anfang vierzig, sah aber deutlich jünger aus. Lediglich seine allmählich größer werdenden Geheimratsecken ließen auf sein wahres Alter schließen. Neben ihm hatte Liane Mühlenberg, die Lebensgefährtin und persönliche Referentin des Autors, Platz genommen. Wiggins begrüßte sie lächelnd mit einem Kuss auf die Wange und begann ein freundschaftliches Gespräch.
    Kurze Zeit später war kein Sitz- oder Stehplatz mehr frei und Lachmann wurde mit einem freundlichen Beifall begrüßt, als er die Sächsische Pfeifenstube betrat. Er war Anfang vierzig. Für sein Alter waren seine schwarzen Haare schon von ungewöhnlich vielen grauen Fäden durchzogen. Im Bereich der Stirn hatte er sie mit ein wenig Gel zurückgekämmt. Er trug braune Halbschuhe, Jeans, ein Oberhemd mit offenem Kragen und ein helles Sakko, das auf Grund seiner hageren Figur ein wenig zu groß wirkte. Willi Lachmann begrüßte seine Gäste freundlich, erzählte, wie sehr er sich auf diesen Abend im Kreis seiner Freunde gefreut hatte und versprach, nicht allzu lange zu lesen, weil die Anwesenden doch sicherlich durstig seien.
    Er setzte sich an den Tisch vor der Schaufensterscheibe des Ladens. Das spärliche Licht wurde durch eine kleine Schreibtischlampe gespendet. Er fing an zu lesen und begann – wie immer – am Anfang des Buches.
    Das Klirren des Glases war kaum zu hören gewesen, als das Projektil die Scheibe durchschlug. Es drang in den vierten Halswirbel ein, den es zertrümmerte. Lachmann war sofort tot. Er fiel nach vorne und schlug mit dem Kopf auf der Tischplatte auf.
    Wiggins reagierte als Erster. Er lief zu Lachmann und versuchte, seinen Puls zu fühlen. Vergeblich! Dennoch wählte er die 112. Anschließend rannte er auf die Straße. Niemand war zu sehen. Er wartete noch einen Moment, konnte aber nichts Verdächtiges feststellen. Dann informierte er die Bereitschaftspolizei und Staatsanwalt
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