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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer
Autoren: Andreas Stammkötter
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Grundrecht auf Informationsfreiheit, entsprechende Beachtung finden. Ich gehe davon aus, dass Ihre Fragen noch ein wenig warten können, bis ich das Informationsbedürfnis der Presse befriedigt habe.«
    Kroll wurde ungeduldig. »Herr Gutbrot! Es ist noch keine 20 Stunden her, dass Willi Lachmann ermordet wurde. Ich leite die Ermittlungen und ich bin mir sicher, dass auch Sie nichts auf dieser Welt mehr interessiert, als dass wir seinen Mörder schnell finden! Ich erwarte Sie in zehn Minuten am Bayerischen Stand in der Glashalle.« Kroll verließ den Zeitraub-Verlag. Diesmal benutzte er nicht den Hintereingang. Demonstrativ zwängte er sich durch die Journalisten.
    Seine Hoffnung, er könnte am Bayerischen Stand einen Latte Macchiato bekommen, erfüllte sich nicht. Die Alternative – Weißbier – stellte sich ihm nicht. Er trank grundsätzlich im Dienst keinen Alkohol, und bei der Menge Restalkohol, die er noch in seinem Blut vermutete, wäre ein Bier ohnehin verheerend gewesen. Er entschied sich für eine Cola Light.
    Kroll lehnte sich an einen Bistrotisch und beobachtete das muntere Treiben um ihn herum. Wenige Meter von ihm entfernt führte eine Gruppe Jugendlicher, die als Mangafiguren verkleidet waren, eine Art Tanz auf.
    Der Geschäftsführer brauchte exakt zehn Minuten. Er entdeckte Kroll sofort und stellte sich zu ihm an den Tisch. Anzug und Krawatte saßen korrekt.
    Kroll kam gleich zur Sache. »Wann haben Sie Lachmann zuletzt gesehen?«
    Gutbrot musste nicht lange überlegen. »Gesehen habe ich Lachmann seit Wochen nicht mehr. Ich bin doch nur sein Verleger. Die Arbeitskontakte laufen alle telefonisch oder per Mail. Hauptansprechpartner ist hierbei unser Lektorat.« Er machte mit dem Handballen den Tisch sauber. »Natürlich waren wir für heute auf der Buchmesse verabredet, er wollte gegen zehn bei uns vorbeikommen.«
    Kroll beobachtete ihn einen Moment. »Lachmanns Tod scheint Sie persönlich nicht zu berühren?«
    »Das mag für Sie jetzt eigenartig klingen, aber Lachmann und ich hatten ausschließlich beruflich miteinander zu tun. Keine persönliche Beziehung und erst recht keine Freundschaft oder etwas in der Art. Er war unser Autor. Nicht mehr und nicht weniger. Natürlich bedauere ich seinen Tod. Aber ich habe in erster Linie ein Geschäft zu betreiben und die Zeiten sind nicht einfacher geworden!«
    Kroll stellte fest, dass er sein Gegenüber nicht besonders sympathisch fand. Er nippte an seiner Cola. »Unterhalten wir uns doch mal übers Geschäft.«
    »Lachmann war natürlich unser bestes Pferd im Stall, wie Sie sich sicherlich denken können. Wir reden über den erfolgreichsten deutschen Autor seit Simmel. Selbstverständlich hat unser Verlag mit seinen Titeln gut verdient. Vor allem hat er andere Titel mitgezogen. Wir müssen uns jetzt genau überlegen, wie es weitergeht.«
    »Aber die Titel, die Sie schon haben, werden doch jetzt bestimmt Ihre Bestsellerquoten noch einmal übertreffen.«
    Gutbrot nickte. »Ja, aber das ist doch nur ein kurzfristiger Effekt.« Er lächelte verlegen. »Was glauben Sie denn, warum ich mich gerade so rührend um die Medienvertreter kümmere? Wir müssen jetzt für den Absatz sorgen!«
    Kroll konnte sich die Provokation nicht verkneifen. »Also profitieren Sie erst einmal von Lachmanns Tod.«
    Gutbrot sah ungeduldig auf die Uhr. »Ich sagte doch bereits, ein kurzfristiger Effekt. Wir planen langfristig.«
    Er wollte sich bereits abwenden, aber Kroll ließ ihn nicht gehen. »Ist es denn überhaupt sicher, dass Lachmann auch die nächsten Bücher bei Zeitraub veröffentlicht hätte?«
    »Wir standen gerade in Verhandlungen, ihn dauerhaft an uns zu binden. Die Gespräche standen unmittelbar vor dem Abschluss. Ich denke, die offenen Punkte hätten wir noch während der Buchmesse klären können.«
    Kroll sah ihn an. »Das ist ja interessant!«
    Der Verleger sah wieder auf die Uhr. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden?«
    Kroll ließ ihn gehen.

    Liane Mühlenberg hatte das Rückenteil ihres Bettes hochgefahren. Sie lag da und starrte an die Decke des Zimmers. Die Farbe ihrer Haut unterschied sich kaum von dem weißen Kopfkissen, auf dem zerwühlt ihre langen schwarzen Haare lagen. Ihre braunen Augen waren gerötet. Die Nase und die Oberlippe waren wund. In der rechten Hand zerknüllte sie unaufhörlich ein Taschentuch.
    Wiggins setzte sich auf die Bettkante und wandte sich ihr zu. Ganz langsam wanderten ihre Augen von der Zimmerdecke zu ihm herüber. Sie
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