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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit
Autoren: Thomas A. Barron
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Und so hatte ich seither gelernt Wasser aus dem Bach zu trinken ohne die Strömung zu stören, den Boden zu spüren, als wäre
     er Teil meines Körpers, und für Geräusche so offen zu sein wie die Luft.
    Was hatten wir für Spaziergänge gemacht! Hallia führte mich durch Wiesen, in denen alte Pfade verborgen lagen, durch hohes
     Seegras, das zu Körben oder Kleidungsstücken geflochten werden konnte, und durch versteckte Lichtungen, wo so manches Kitz
     geboren worden war. Oft gingen wir aufrecht wie jetzt. Genauso oft liefen wir Seite an Seite als Hirschkuh und Hirsch und
     flogen mehr über die Erde, als dass wir sie mit Füßen traten.
    Doch an diesem Tag und auf diesem Pfad fühlte ich mich ihr näher als je zuvor. Heute Abend, wenn wir die andere Seite des
     Waldes erreicht hätten, würde ich ihr eines meiner Geheimnisse zeigen – den Sternguckerstein. Und dort würde ich ihr das Geschenk
     geben, das ich für sie aufbewahrte. Voller Vorfreude klopfte ich auf meinen Beutel, ich wusste, dass es ihr in vieler Hinsicht
     bereits gehörte.
    Als ich einen Bach vor mir sah, hob ich den Stock, damit er sich nicht in den Stachelbeerbüschen am Ufer verfing.Dann sprangen wir ohne ein Wort in die Luft, unsere vier Beine streckten sich gleichzeitig, als ob sie einer einzigen Person
     gehörten. Unter uns funkelte das Wasser, seine Oberfläche leuchtete sogar dort, wo es unter einem Zweig oder über einen moosbedeckten
     Stein floss. Wir landeten sanft auf der anderen Seite und folgten weiter dem Pfad.
    Ich schaute mich um, die Licht- und Farbenfülle überwältigte mein zweites Gesicht. Es war schärfer und genauer, als mein verlorenes
     Augenlicht je gewesen war. Selbst die Einkerbungen in meinem Stock schienen von der Magie, die uns umgab, zu schimmern. Tau
     glänzte auf regengewaschenen Zweigen, während der Waldboden orange, scharlachrot und braun leuchtete. Über unseren Köpfen
     huschten zwei Eichhörnchen über einen Ast und plapperten unaufhörlich, ihre Augen waren fast so groß wie ihre geblähten Backen.
     Glatte Buchenrinde warf die Sonne wie Spiegel zurück und Lindenblätter bebten wie sprudelnde Bäche. Moosnester, tiefgrün und
     rot gesprenkelt, schmiegten sich zwischen die knorrigen Wurzeln von Eichen und Fichten, häufig von Truppen gelber Pilze umstanden.
    Überall wehten Düfte – von den Tannennadeln süßer als Geißblatt; von Regenwasser, in Blattschalen aufgefangen, so üppig riechend
     wie Moorteiche; und von heruntergefallenen Zweigen, die schon mehr Erde als Holz waren. Nicht weit entfernt konnte ich den
     Wildgeruch eines Fuchsbaus riechen. Und ich wusste, dass auch der Fuchs unser Nahen roch.
    Das Murmeln des Baches hinter uns verschmolz mit dem an- und abschwellenden Flüstern des Windes in den Zweigen. Und wie immer
     hörte ich im Waldwind viele deutliche Stimmen: das tiefe Seufzen der Eiche, das Knistern der Esche, das rhythmische Rauschen
     der Tanne. Viele Stimmen,ja – und über allen eine, der vereinte Atem des lebendigen Waldes.
    Ein Ort vieler Wunder.
Diese Worte, die erste Beschreibung, die ich je von Fincayra gehört hatte, waren mir nie so wahr vorgekommen wie heute. Besonders
     hier in den Tiefen des Drumawaldes. Selbst die rauen Winterwinde, die bereits Schnee und Frost in einen großen Teil Fincayras
     gebracht hatten, schienen hier nicht eindringen zu können. Obwohl sich einige Waldtiere in ihre Löcher und hohlen Baumstämme
     zurückgezogen hatten und das Laub vieler Bäume braun und gelb gefärbt war, pulsierte in der Druma immer noch das Leben.
    Und das war nicht alles, was diesen Wald einzigartig machte. Weite Teile Fincayras litten immer noch darunter, dass Misstrauen,
     sogar Hass, lange Jahre hindurch seine vielen Arten entzweit und voneinander getrennt gehalten hatten – und besonders von
     der Menschenart, Männern und Frauen. Doch nicht hier. Selbst während der Zeit von Stangmars Verderben, als Geschöpfe in anderen
     Gegenden Fincayras fürchteten sich im Tageslicht zu zeigen, blieb dieser Wald in Frieden. Hier gab das Glück des einen auch
     anderen Kraft; der Verlust eines Geschöpfs löste weit verbreitetes Leid aus. Es war eine richtige Gemeinschaft.
    Hallia drückte meine Hand und bedeutete mir stehen zu bleiben. Ich folgte ihrem Blick und sah einen ungewöhnlichen Vogel,
     der auf einem Zweig über unseren Köpfen saß. Der purpurrote Kamm auf seinem Kopf und die flammend scharlachroten Federn an
     seinem Schwanz waren unverkennbar. Ein
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