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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit
Autoren: Thomas A. Barron
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bemerkenswertes Schicksal nicht voraussehen. Im Rückblick auf diesen Tag sagt der ältere
     Zauberer ja auch:
    Wenn ich die Augen schließe und zum brausenden Rhythmus des Meeres atme, kann ich mich immer noch an diesen längst vergangenen
     Tag erinnern. Rau, kalt und still war er, die Hoffnung fehlte ihm wie meinen Lungen die Luft . . .
    Vielleicht erinnere ich mich so deutlich daran, weil der Schmerz wie eine Narbe auf meiner Seele nicht verschwinden will.
     Oder
weil er das Ende von so vielem bedeutete. Oder weil er sowohl ein Anfang wie ein Ende war: der Beginn meiner verlorenen Jahre.
    Mit der Zeit konnte ich Merlins größte Überraschung verstehen. Wer an jenem schicksalhaften Tag an Land gespült wurde, war
     mehr als ein Junge, mehr sogar als eine mythische Gestalt. Er war selbst eine Metapher.
    Vielleicht stecken in jedem von uns wie in diesem Jungen verborgene Gaben, die für jeden, selbst für uns, unsichtbar sind
     und doch in uns bleiben und darauf warten, entdeckt zu werden. Und wer weiß? Vielleicht steckt auch in uns wie in diesem Jungen
     ein wenig Magie   – Magie, die womöglich die Anlagen eines Zauberers birgt.
    Wie in den vorausgegangenen Bänden bin ich meiner Frau Currie und meiner Lektorin Patricia Lee Gauch überaus dankbar. Allen
     anderen, denen ich zuvor gedankt habe, einschließlich Jennifer Herron und jedes meiner Kinder, danke ich erneut. Aber eine
     Quelle der Inspiration verdient es, vor allen anderen bedankt zu werden: Merlin.
    T.   A.   B.

 
    Beflügelt wie der Sommerwind
    Floh ich vom Ort, wo Menschen sind:
    Zu wilden Wassern, dunklem Tann,
    Wo weißer Mond sein Silber spann;
    Bis dort, wo hinter Berg und Tal
    Im Grau versinkt der Sonne Strahl,
    Ich, Merlin, floh.
     
    Aus »Merlin und der weiße Tod«,
    einer Ballade von Robert William Buchanan

PROLOG
    Flügel, tragt mich zurück! Wie oft habe ich in den Jahrhunderten seit jenem Tag davon geträumt, zu jenem Ort und jener Zeit
     zurückzukehren, noch einmal vor der Entscheidung zu stehen, die alles veränderte.
    Doch diese Sehnsucht ist sinnlos. Ein verlorener Gedanke kann vielleicht wiedergeboren werden, aber ein verlorener Tag ist
     für immer verschwunden. Und selbst wenn ich zurückkehren könnte – würde ich mich anders entscheiden? Wahrscheinlich nicht.
     Doch wie kann ich sicher sein? Sogar nach all diesen Jahren weiß ich so schrecklich wenig.
    Aber eins weiß ich, ein Geschenk jenes längst vergangenen Tages: Flügel sind weit mehr als gefiederte Arme. Sie sind halb
     Geheimnis, halb Wunder. Denn was den Körper in die Lüfte trägt, kann auch die Seele zum Fliegen bringen.
     
    D er Junge saß allein am Ufer, die nackten Füße im Wasser.
    Sein sandfarbenes Haar ringelte sich zwar in lustigen Locken, doch seine Augen, so braun wie der Bergsee vor ihm, wirkten
     seltsam traurig. Nicht als ob es ihm etwas ausgemacht hätte, allein zu sein. Soweit er sich erinnern konnte – den größten
     Teil seiner acht oder neun Jahre   –, hatte er so gelebt. Selbst wenn ihn andere an ihrem Tisch willkommen hießen, ihm ein Strohlager für die Nacht boten oder
     ihn an ihren Spielen teilnehmen ließen, wusste er, dass sein einziger wahrer Gefährte die Einsamkeit war.
    Sein Leben war einfach – genau wie sein Name, Lleu. Ob ihm seine Eltern diesen Namen gegeben hatten, bevor sie starben, oder
     jemand anders, den er auf seinen Wanderungen getroffen hatte, wusste er nicht. Und warum sollte es wichtig sein? Der Name
     war nur ein Wort. Ein Laut. Sonst nichts.
    Er pflückte einen Riedhalm, fuhr mit dem Finger den Schaft entlang, als wäre er ein winziger Speer, und schleuderte ihn auf
     ein welkes Blatt, das im Wasser schwamm. Ein perfekter Wurf: Das Blatt sank unter dem Gewicht und schickte Ringe kleiner Wellen
     über den See. Während das Wasser an seinen Zehen leckte, lächelte der Junge beinahe.
    Dann sah er, dass sein Speer einen kleinen Käfer mit lavendelfarbenem Rücken von dem Blatt geworfen hatte, und beugte sich
     vor. Das kleine Insekt zappelte und versuchte erfolglos die nassen Flügel im Wasser zu bewegen. In ein paar Sekunden würde
     es ertrinken. Der Junge streckte das Bein aus, fing den Käfer auf seinem Zeh und brachte ihn sicher ans Ufer.
    »Na siehst du, Freund.« Er nahm das winzige Geschöpf in die Hand und blies sacht auf die Flügel. »Nur ein bisschen Sonne und
     schon fliegst du wieder.«
    Fast wie zur Antwort zitterte der Käfer, hob sich in die Luft und flog schwankend herum. Dann schwenkte
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