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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit
Autoren: Thomas A. Barron
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ich deine Flügel einem gebe, der Rhita Gawr gedient hat?«
    »Er leidet an so vielen Wunden, wie er anderen zugefügt hat. Und eine dieser Wunden, eine schlimme, bekam er von mir. Du siehst
     also, wenn ich ihn heile, heile ich auch mich.«
    Die Züge des großen Geistes wurden milder. »Du bist wahrhaftig ein Zauberer, mein Sohn.« Er hielt inne und schaute mich prüfend
     an. »Aber ich werde deine Bitte nicht erfüllen.«
    »Nein?«
    »Nein. Um Flügel zu haben, muss er sie verdienen. Das braucht Zeit, in seinem Fall viel Zeit, wenn es je geschehen sollte.«
     Er senkte die Stimme. »Ich werde jedoch deine Bitte respektieren und etwas anderes tun.«
    Er bückte sich und fuhr mit der Hand durch den Nebelteppich. Offenbar suchte er genau den richtigen Dunstfaden, bevor er einen
     spiralförmigen fing. Langsam ging er zu Dinatius, der nicht auf ihn achtete. Mit einer Drehung der Hand warf Dagda den Nebelfetzen
     dem jungen Mann über den Kopf. Der Nebel schwebte herunter und sickerte in den Körper.
    »Das«, erklärte der Geist, »ist ein Geschenk von Merlin.«
    Mit einem Mal sammelte sich dichter Nebel um Dinatius und bedeckte ihn bis auf den Kopf. Dann zeigte Dinatius plötzlich einen
     völlig ungläubigen Ausdruck. Er schüttelte sich und schaute auf seinen Körper hinunter, der in Dunst gehüllt war. Mit zunehmendem
     Erstaunen arbeitete er sich an der Säule höher, bis ein Teil seiner Brust aus dem Nebel ragte. Seine Ketten, gerade zerrissen,
     fielen zu Boden. Und unter seinen Schultern hingen statt tödlicher Klingen zwei Arme. Seine eigenen Arme, aus seinem eigenen
     Fleisch gemacht.
     
    Scheu bewegte er sie und ließ seine wiederhergestellten Muskeln spielen. Er hob die Arme in die Luft, beugte sie und berührte
     mit den Händen sein Gesicht. Unfähig zu sprechen, starrte er zuerst Dagda an, dann mich. Aber seine vor Überraschung weit
     aufgerissenen Augen sagten genug.
    Mit einem strahlenden Lächeln ging Dagda durch den Nebel zurück. Sanft berührte er meine Schulter. »Komm, wir gehen ein paar
     Schritte, junger Zauberer.«
    Schnell nahm ich meinen Stock und ging neben ihm her. Wir durchquerten den Kreis und hinterließen dunstige Spuren auf dem
     weiß gewordenen Boden. Diesmal folgte keines der Geschöpfe im Ring Dagda, deshalb waren wir allein – natürlich bis auf den
     silbrig gefärbten Falken auf meiner Schulter. Der große Geist führte mich den ganzenWeg zum westlichen Rand des Rings, wo zwei aufrecht stehende Säulen zum Himmel ragten, von einem Strahl goldener Nachmittagssonne
     getrennt. Dort blieben wir stehen und ließen uns den Rücken von der Sonne wärmen.
    Dagda betrachtete mich liebevoll. »Als ich vor so vielen Nächten in einer Vision zu dir kam, habe ich dich gewarnt, dass du
     deinem größten Feind begegnen müsstest.«
    Ich nickte. »Und jetzt weiß ich, dass du nicht Rhita Gawr gemeint hast. Du hast meinen schroffsten Zorn gemeint, meine tiefsten
     Ängste, ob sie nun meinen Vater angingen, meinen alten Feind . . . oder meine Zukunft.«
    »Du bist in mehr als einer Hinsicht gesprungen, mein Sohn.« Nachdenklich strich er sich über den lahmen Arm. »Und deshalb
     sollst du endlich deinen wahren Namen erfahren – einen Namen, den du verdient hast und der dich immer stärken wird, obwohl
     ihn nie mehr als ein paar Vertraute kennen werden. Für die meisten Leute bleibst du immer Merlin.«
    Er holte tief Luft und zog damit Nebelfetzen zu Brust und Armen hinauf. »Ich gebe dir jetzt deinen wahren Namen:
Olo Eopia
. In der Sprache der Geisterherren bedeutet das
Mann vieler Welten, vieler Zeiten
. Und es ist ein Name, der nur von einem wie dir getragen werden darf – einem Mann, der vollständig ist, wie der Kosmos vollständig
     ist.«
    Ich stand aufrecht und hielt meinen Stock, während meine Augen in Tränen schwammen.
Olo Eopia.
Viele Welten, viele Zeiten.
    Mit einer tief empfundenen Mischung aus Liebe und Sorge betrachtete ich die Gesichter um mich herum. Dagda, dessen Blick mich
     ebenso wärmte wie die Nachmittagssonne. Rhia, die mit einer Hemlockstanne am Rande des Kreises redete und dabei ihre Flügel
     ausbreitete und zusammenfaltete.Hallia . . ., die mich sehnsüchtig beobachtete. Verdruss, dessen strahlende Augen immer, in jedem Moment, auf mich gerichtet
     waren. Meine Mutter neben Lleu, der sich in die Falten ihres Gewands kuschelte, wie ich es oft als Kind getan hatte. Und die
     Spitze von Shims gewaltiger Nase, alles, was von ihm zu sehen war, während er
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