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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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wieder auf. Kurz sah ich meinen Schatten auf dem Boden. Er wirkte schrecklich benommen,
     wahrscheinlich würde er auf jeden versprochenen Urlaub verzichten, wenn ich nur auf dem Boden blieb. Aber zu einem solchen
     Handel wäre ich nie bereit. Die Begeisterung am Fliegen strömte jetzt durch meine Adern.
    »Kommt mit mir!«, rief ich Rhia und Hallia zu und sie stiegen mit mir auf. Hinter ihnen kamen weitere Männer und Frauen, dazu
     meine Mutter und die meisten Kinder. Dann folgten Vögel dem Schwarm und bald schwebten am Himmel Adler, Kormorane, Eulen und
     Brachvögel. Sogar Gwynnia flog auf und schlug mit den Flügeln, um Hallia einzuholen. Es dauerte nicht lange, da vibrierte
     die Luft über dem Hang vom Pulsieren zahlloser Schwingen.
    Ich stieg höher und traf wieder den Falken, den ich so gut kannte. Wir umkreisten einander und vollführten Kurven, Schwenks
     und Schleifen. Die Kunststücke von Verdruss waren viel präziser und kühner als meine, aber das war mir egal. Es kam nur darauf
     an, dass wir zusammen flogen, gemeinsam schwebten.
    Energisch schlug ich mit den Flügeln und fing dann einen Aufwind, der mich höher trug als je zuvor. Während ich den Wind ritt,
     hatte ich das Gefühl, selbst aus Luft zu bestehen. Und ich erinnerte mich an Rhias leidenschaftliche Beschreibung des Flugs:
mit Geist und Körper aufsteigen.
    Ein Blick auf die Landschaft tief unten zeigte mir fast dieganze Insel Fincayra. Das Gefühl des Verlusts überkam mich wieder, denn ich sah, dass der Nebel, der sich vom Steinkreis her
     ausbreitete, jetzt über die verdorrten Ebenen bis zu den südlichen Küsten und westlichen Klippen waberte. Der Drumawald leuchtete
     weiß, ebenso Varigal, die Stadt der Riesen, und die entlegensten Gebiete des fernen Nordens. Und entlang jeder Küste vereinigten
     sich die uralten Seenebel mit den neuen, zunehmenden Nebeln des Landes.
    Doch ein Aspekt der Landschaft überraschte mich: Fincayra wirkte nicht weniger abwechslungsreich als zuvor. Hügel hatten immer
     noch ihre bisherigen Umrisse, Klippen fielen schroff ab und die Wälder wogten immer noch im Rhythmus des Windes. Ich glitt
     hinunter, um die Westküste genauer zu betrachten, und erkannte einzelne Steinblöcke und Bäume, sogar verschlungene Zweige.
     Sie waren weiß und unscharf an den Rändern. Aber es gab sie immer noch.
    Plötzlich verstand ich die Bedeutung von Dagdas Worten. Fincayra hatte sich tatsächlich verwandelt. Mein altes Heimatland
     mit seinen starken Farben und wunderbaren Jahreszeiten war verschwunden. Aber ein neues Land überdauerte, es war von Nebel
     erfüllt und für immer mit der Anderswelt verbunden. Jetzt war Fincayra wirklich mehr – eine komplizierte Mischung zweier Welten.
    Ich segelte über die Küste und spürte, wie die Luft an mir vorbeipfiff und meine strahlenden Flügel durchschüttelte. Plötzlich
     bemerkte ich einen unbewohnten Hang, der nicht von Nebel bedeckt war. Dicht bewaldet leuchtete er bis zum Rande der klippengesäumten
     Küste in einem starken Grün. Durch irgendeine geheimnisvolle Macht hielt diese fruchtbare Landzunge den Nebel fern.
    Beim Näherfliegen entdeckte ich ein weiteres Wunder. Der Wald wurde unter meinen Augen dichter! Mit unglaublicher Geschwindigkeit
     sprossen Eichen, Weißdorn und Ebereschen, ihre moosbehangenen Zweige hoben sich zum Himmel, ihre Wurzeln breiteten sich aus,
     während sie sich in die Erde gruben. Kräftige Ranken wanden sich um schwellende Stämme; an Zweigen wuchsen Blätter oder Zapfen
     oder rote und violette Blüten. Fedrige Farne mit schrägen Stielen verbreiteten sich über die Bachufer, Scharen von Pilzen
     und blühender Stechginster kamen dazu. Vom Hügel stiegen die Gerüche süßer Harze auf und brachten mit ihren köstlichen Aromen
     meine Nasenlöcher zum Prickeln.
    Plötzlich erkannte ich den Hang. Das war die Landzunge, die einmal die vergessene Insel gewesen war. Und doch . . . als ich
     sie verlassen hatte, war sie kahl gewesen, ohne jedes Grün.
    Ich legte mich scharf in die Kurve und flog in Spiralen hinunter, bis ich direkt über den Wipfeln der höchsten Bäume schwebte.
     Dort, um einen hochgestreckten Ebereschenast gewunden, sah ich einen einzelnen Mistelzweig in der Sonne schimmern. Derselbe
     goldene Zweig dort, wo ich den Samen . . .
    Der Samen! Diese ganze Fruchtbarkeitsexplosion war das Werk jenes einen bemerkenswerten Samens. Einmal am richtigen Fleck
     gepflanzt, konnte keine Scholle seiner Magie widerstehen, kein Winter

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