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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit
Autoren: Thomas A. Barron
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sogar mit ihr zum Grab.
    Immer wieder, wenn ich über den Hang streifte, dachte ich an Dinatius. Am Morgen nach der Schlacht war er zusich gekommen, aber schwach und verwirrt geblieben. Er sagte nichts, aß sehr wenig und konnte nicht gehen wegen seiner Beinbrüche.
     Dennoch, er war Dinatius – und damit gefährlich. Deshalb bat ich einige Zwerge eine Kette zum Fesseln seiner Beine zu machen,
     die das alte Seil ersetzte. Gebrochen und besiegt saß er auf dem Boden und lehnte den Rücken an eine Steinsäule.
    Als ich ihn betrachtete, wie er so still und allein mitten im geschäftigen Treiben des Kreises saß, empfand ich eine unerwartete
     Anwandlung von Mitleid. Sicher, er hatte alles versucht, um mich zu erschlagen, und fast war es ihm gelungen. Aber er hatte
     wie ich jahrelang in diesem elenden Dorf unserer Kindheit gelitten; er war wie ich in jenem schrecklichen Feuer verletzt worden.
     Und während ich all das Böse nicht vergessen konnte, das er anderen angetan hatte, konnte ich auch nicht das Böse vergessen,
     das ich ihm angetan hatte.
    Während dieser Tage unseres Lagerlebens geschah etwas anderes, wirklich Merkwürdiges. Es hatte weder mit den verschiedenen
     Geschöpfen auf dem Hang zu tun noch mit den hohen Steinen, sondern mit dem Land. Ein Nebel stieg auf und breitete sich über
     das Gelände.
    Zuerst bemerkte ich den Nebel mitten im Ring, als er sich um meine Füße legte. Allmählich wurde er dicker und es dauerte nicht
     lange, da füllte er den ganzen Kreis und drückte an die Säulen ringsum. Schließlich waberte er den Hang hinunter, zwischen
     die Bäume und über die benachbarten Hügel. Er vermischte sich sogar mit den Flammen der Lagerfeuer. Doch einige Zeit achtete
     ich nicht besonders darauf und nahm an, er würde sich verziehen.
    Das geschah jedoch nicht.
    Mit jedem folgenden Tag wurde der Nebel mächtiger, erbreitete sich aus wie ein Binnensee. Immer noch wirkte er nur sonderbar – bis ich bemerkte, dass er, anders als normaler Nebel,
     durch den Boden innerhalb des Steinrings zu steigen schien. Da erkannte ich schaudernd die Bedeutung dieser vordringenden
     Dämpfe.
    »Hallia«, ich nahm ihre Hand, führte sie an den Rand des Kreises und deutete über die Säulen hinaus zum welligen Horizont
     der Hügel. »Was siehst du dort draußen in der Ferne?«
    Sie verzog spöttisch den Mund. »Hügel natürlich. Viele davon.«
    Ich nickte grimmig. »Was noch?«
    »Worauf willst du hinaus, junger Falke? Alles, was ich sehe, sind Hügel und ein paar vereinzelte Bäume.«
    »Und?«
    Sie stampfte wütend auf. »Nichts! Außer du meinst . . .«
    »Den Nebel. Ja, das ist genau, was ich meine.« Ich schaute ihr in die Augen. »Hast du je einen solchen Nebel gesehen? So dick,
     so andauernd?«
    »Hmmm«
, sie runzelte die Stirn. »Wahrscheinlich nicht. Noch nicht einmal an der Küste. Die Nebelwand ist immer dort, direkt vor
     der Küste, aber sie zieht nie ins Land.« Sie sah mich fragend an. »Ist es nicht . . . einfach irgendein Wetter?«
    Langsam schüttelte ich den Kopf. »Nein. Hallia, dieser Nebel kommt aus der Anderswelt.«
    Sie schrak zusammen, dann kickte sie nach einer flockigen Spirale an ihrem Fuß. »Du meinst, er steigt durch den Eingang, den
     Rhita Gawr geöffnet hat?«
    »So ist es. Du musst gesehen haben, wie er direkt hier im Kreis begonnen hat, dann den Hügel hinunterzog und darüber hinaus.«
     Ich drückte ihr die Hand. »Dagda hatmich gewarnt, als er in jener Nacht am Sternguckerstein zu mir kam, dass schreckliche Dinge geschehen könnten, wenn Rhita
     Gawr die Schranke zwischen den Welten aufbricht.«
    »Moment mal.« Sie schüttelte skeptisch den Kopf, dass ihre langen Haare flogen. »Was ist eigentlich so schrecklich an Nebel
     aus der Geisterwelt, der unsere Hügel bedeckt?«
    Ich holte tief Atem. »Er bedeckt nicht das Land. Siehst du das nicht? Er
nimmt
das Land.«
    Sie starrte mich an, während sich krause Nebelfäden um unsere Hände wanden und zwischen unseren Fingern durchschlüpften.
    »Mein Liebes, ich bin mir sicher.« Ich wies auf die Geschöpfe rund um den Säulenring. »Das meinte Dagda, als er sagte, dass
     manchmal, wenn alles in Wahrheit gewonnen ist, alles in Wahrheit . . .«
    »Verloren ist«, ergänzte sie mit plötzlich heiserer Stimme.
    Wir setzten uns auf eine umgestürzte Säule. Ihre rauen Kanten schienen von dem Nebel geglättet, der um ihre Seiten stieg.
     Wir schwiegen, überwältigt von dieser Erkenntnis, so wie das Land, das wir liebten, von
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