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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit
Autoren: Thomas A. Barron
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angekündigten Bestimmung.
    Ich dachte an diese Welt, die ich so oft in meinen Träumen gesehen hatte. Die funkelnde Kristallhöhle, die ich mein Eigen
     nennen würde; den Jungen namens Artus, dessen Augen vor hohen Idealen glänzten; die Gesellschaft voller Tragödie und Hoffnung
     zugleich, der ich ein bleibendes Zeichen hinterlassen könnte. So viel an dieser Welt regte mich an, hob mein Herz, doch ein
     kritischer Gesichtspunkt machte mich ängstlich. Es gab kein Zeichen von Hallia in diesen Träumen. Nichts – bis auf eine einzige
     Locke ihres kastanienbraunen Haares.
    »Ich will nicht gehen«, wiederholte ich. »Wenigstens lange, lange Zeit nicht.«
    »So soll es sein, Emrys Merlin«, antwortete die leise Stimme um mich herum. »Aber wenn es Zeit ist, dich zu entscheiden, hör
     auf deinen innersten Wind. Ahhh ja, und folge ihm, wo immer er dich hintragen mag.«
    Mit einem letzten Flattern meines Ärmels war sie verschwunden.
    Ich stand da mitten im überfüllten Ring und dachte über Aylahs Worte nach. Geistesabwesend beobachtete ich Lleu und ein paar
     andere Kinder; sie rutschten den Fuß eines Riesen hinunter, der direkt außerhalb des Kreises saß. Ich war so tief in Gedanken,
     dass ich kaum Lleus lautes Gelächter hörte, während er über das haarige Fleisch glitt, über einen riesigen Knöchel hopste
     und auf den schrägen Hang rollte.
    Jemand griff nach meiner Hand. Bevor ich mich noch umdrehte, wusste ich, dass es Hallia war. Ich schloss meine Hand um ihre
     und lächelte schwach.
    »Wo bist du gewesen, junger Falke?« Sie hob das schmale Kinn und schaute mich forschend an. »Weit weg?«
    Verwirrt schüttelte ich den Kopf. »Ich war immer hier, seit du weggegangen bist, um deine Clansleute zu besuchen.«
    Sie ließ meine Hand los und strich mir über die Schläfe. »Hier drin meine ich. Wo warst du?«
    »In der Zukunft. Und Hallia . . . was ich gesehen habe, hat mir nicht gefallen.«
    Ihre braunen Augen beobachteten mich Anteil nehmend. Leise sagte sie: »Ich bin auch dort gewesen.«
    »Bin ich dort?«
    Sie überlegte. »Nur als Wunsch, als Sehnsucht – nicht als du.«
    Ich drehte meinen Stock in die Erde. »So muss es nicht sein.«
    Sie sagte nichts.
    Langsam gingen wir durch den Kreis. Den Rest des Nachmittags arbeiteten wir gemeinsam als Heiler und halfen Wunden zu verbinden,
     wo immer wir konnten. Ein junger Adler, dessen Flügel schlimm verletzt war, kreischte triumphierend, als ich ihm versicherte,
     dass er bald wieder fliegen könne. Der Schrei, so wild und lebensfroh, erinnerte mich an Verdruss und ich fragte mich, wann
     – und ob – ich das strahlende Auge des Falken wiedersehen würde.
    Zu meiner Überraschung und Freude war in der Bärin, die so tapfer gekämpft hatte, immer noch ein Lebensfunke. Ich tat mein
     Bestes, ihre Wunden zu heilen, doch das wurde erschwert durch die zornigen Ohrfeigen, die sie mir verpasste,wenn ich eine empfindliche Stelle berührte. Hallia fütterte sie inzwischen mit Fischen, die von den Riesen frisch gefangen
     waren. Und nach dem Appetit der Bärin zu urteilen wurde sie bestimmt gesund.
    An diesem Tag und an den folgenden sprachen Hallia und ich nicht mehr über die Zukunft. Doch die gleichen Zweifel hingen über
     uns. Sie beschäftigten mich sogar, wenn ich den größeren Teil des Tages allein mit Rhia verbrachte und ihr folgte, während
     sie unter den versammelten Bäumen schlenderte. Sie bewegte sich selbst so anmutig wie ein gehender Baum, streichelte Rinde,
     entwirrte Zweige und unterhielt sich in den alten Sprachen von Eberesche und Eiche, Zeder und Tanne. Den ganzen Tag löcherte
     sie (und Scullyrumpus auf ihrer Schulter) mich mit Fragen über die seltsamen Ereignisse auf der vergessenen Insel und über
     die verlorenen Flügel. Ich antwortete, so gut ich konnte, obwohl das pelzige Tier ständig murrte, ich hätte aufmerksamer beobachten
     – und weniger ungeschickt sein sollen.
    An einem wolkigen Abend, als der Mond nur wie eine verschleierte Kugel am Himmel stand und schattige Rösser über den Himmel
     jagten, besuchte ich mit meiner Mutter Cairprés Grab. Gemeinsam sangen wir einige seiner Lieblingsballaden und für kurze Zeit
     vergaß ich meine eigenen Sorgen. Solches Leid zeichnete ihr Gesicht und trübte ihre Saphiraugen! Doch ich konnte ihr keine
     Hilfe sein; ihre Wunden lagen zu tief für heilende Salben und Umschläge. Ihren einzigen Trost fand sie offenbar darin, den
     kleinsten Kindern zu helfen, einige von ihnen kamen
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