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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation
Autoren: Paul Watzlawick
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Verhalten, das im Wesentlichen dem jener Phänomene
entspricht, die sich bisher der streng linearen, deterministischen
Auffassung entzogen.

    Rückkopplungen können bekanntlich positiv oder negativ
sein. Die negative Form wird in diesem Buch viel häufiger erwähnt
werden, da sie eng mit dem Begriff der Homöostasis (des Ruhezustands) verbunden ist und so eine wichtige Rolle bei der Herstellung und Erhaltung des Gleichgewichtes in Systemen und
daher auch in menschlichen Beziehungen spielt. Positive Rückkopplungen dagegen führen zu Änderungen im System, d. h. zum
Verlust der Stabilität oder des Gleichgewichts. In beiden Fällen
wird ein Teil der Ausgabe (output) des Systems diesem als Information über die Ausgabe erneut zugeführt. Der Unterschied zwischen den beiden Formen liegt darin, dass im Fall von negativer
Rückkopplung diese Information zur Verminderung der Ausgabeabweichungen von einem bestimmten Sollwert verwendet
wird - daher die Bezeichnung «negativ» -, während dieselbe Information bei positiver Rückkopplung als Maß der Verstärkung
der Ausgabeabweichung dient und daher einen positiven, amplifizierenden Einfluss auf eine schon bestehende Neigung ausübt.
    Während der Begriff der Homöostasis in menschlichen Beziehungen im Abschnitt 4.4 näher behandelt wird, soll jetzt schon
in aller Klarheit herausgestellt werden, dass es voreilig und unrichtig wäre, von dem eben Gesagten darauf zu schließen, dass negative Rückkopplung wünschenswert, positive dagegen zerstörend
sei. Unsere These ist, dass zwischenmenschliche Systeme - also
Gruppen, Ehepaare, Familien, psychotherapeutische oder selbst
internationale Beziehungen usw. - als Rückkopplungskreise angesehen werden können, da in ihnen das Verhalten jedes einzelnen Individuums das jeder anderen Person bedingt und seinerseits von
dem Verhalten aller anderen bedingt wird. Eingaben (input) in ein
solches System können entweder Änderungen der Homöostasis
hervorrufen und amplifizieren oder aber homöostatisch absorbiert werden, je nachdem, ob die dabei beteiligten Rückkopplungskreise positiv oder negativ sind. Beobachtungen von Familien mit einem schizophrenen Mitglied lassen wenig Zweifel
darüber, dass der Zustand des Patienten für die Stabilität des Familiensystems entscheidend ist und dass das System rasch und wirksam auf jeden Versuch reagiert, seine Organisation von innen oder
außen zu ändern. Dies ist ganz offensichtlich eine unerwünschte
Form der Stabilität. Da sowohl Wandel wie Stabilität zu den wichtigsten Manifestationen des Lebens gehören, ist anzunehmen, dass
in ihnen positive und negative Rückkopplungsmechanismen in
ganz spezifischen Formen von gegenseitiger Abhängigkeit und
Komplementarität wirksam sind. Pribram [113] hat kürzlich
nachgewiesen, dass jedes Erreichen von Stabilität neue, verfeinerte
Sensitivitäten bedingt und dass sich neue Mechanismen ausbilden,
um der veränderten Lage Rechnung zu tragen. Nicht einmal unter
relativ konstanten Umweltbedingungen ist Stabilität also ein steriler Endzustand, sondern, um es in den bekannten Worten Claude
Bernards auszudrücken, «die Konstanz des inneren Milieus ist die
Voraussetzung für die Existenz freien Lebens».

    Das Prinzip der Rückkopplung ist nicht zu Unrecht als das
Geheimnis aller natürlichen Vorgänge genannt worden. Systeme
mit Rückkopplung zeichnen sich nicht nur quantitativ durch
höhere Komplexität aus - sie unterscheiden sich auch qualitativ
von den Maschinen der klassischen Mechanik. Ihr Studium erfordert neue Grundbegriffe; ihre Logik und ihre Epistemologie weichen in vielem grundsätzlich von dem herkömmlichen Verfahren
wissenschaftlicher Analyse ab, wie etwa dem Prinzip der jeweiligen Isolierung einer Variablen oder der Laplace'schen Überzeugung, dass die vollkommene Kenntnis aller Tatsachen zu einem
gegebenen Zeitpunkt die Voraussage aller zukünftigen Entwicklungen ermögliche. In selbstregulierenden Systemen - Systemen mit Rückkopplung - sind die Begriffe der Struktur, der Organisation und der Information ebenso wichtig, wie es die Begriffe
von Materie und Energie am Anfang unseres Jahrhunderts waren.
Die Erforschung dieser Systeme ist, wenigstens zurzeit, durch die
Tatsache sehr behindert, dass wir noch nicht einmal eine wissenschaftliche Sprache besitzen, die komplex genug wäre, um der
Beschreibung dieser Systeme zu dienen. Nicht zu Unrecht hat
z. B. Wieser [162, S. 33] festgestellt, dass diese
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