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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation
Autoren: Paul Watzlawick
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Systeme ihre eigene
beste Erklärung sind.

    1.4 Redundanz
    Unsere Betonung der begrifflichen Diskontinuität zwischen der
Systemtheorie und den älteren monadischen oder linearen Theorien soll jedoch nicht nach Resignation klingen. Wenn wir die
methodologischen Schwierigkeiten hier in den Vordergrund stellen, so nur, um darauf zu verweisen, dass neue Ausgangspunkte
schon allein deswegen gewonnen werden müssen, weil die herkömmlichen Begriffsrahmen nicht mehr ausreichen. Auf der
Suche nach solchen Ausgangspunkten zeigt sich, dass in anderen
Wissensgebieten Fortschritte gemacht wurden, die von unmittelbarer Bedeutung für das Studium der menschlichen Kommunikation sind. Ashbys Homöostat [4, S. 93ff.] stellt ein ausgezeichnetes Beispiel dar. Diese Vorrichtung besteht aus vier gleichartigen
selbstregulierenden Teilsystemen, die untereinander so vollkommen verbunden sind, dass jede Störung in einem von ihnen alle
anderen beeinflusst und jedes Teilsystem seinerseits wieder von
den Reaktionen der anderen rückbeeinflusst wird. Das bedeutet,
dass kein Teilsystem sein Gleichgewicht unabhängig vom Zustand
der anderen zu erreichen vermag, und Ashby konnte so eine
Reihe von höchst bemerkenswerten «Verhaltensformen» darstellen. Obwohl das Schaltschema des Homöostaten, verglichen mit
dem menschlichen Gehirn oder selbst mit anderen künstlichen
Mechanismen, äußerst einfach ist, verfügt er doch über 390 625 Parameterwerte oder - um dieselbe Feststellung mehr anthropomorph zu formulieren - über diese Zahl von möglichen Einstellungen gegenüber Änderungen in seinem inneren oder äußeren
«Milieu». Er erreicht seine Stabilität durch wahlloses Suchen, das
er so lange fortsetzt, bis sich die notwendige innere Konfiguration auf einer Zufallsbasis ergibt. Dieser Vorgang ist identisch mit
dem Versuch-und-Irrtum-Verhalten vieler Organismen in Stresssituationen. Die vom Homöostaten hierfür benötigte Zeit kann
von Sekunden bis zu Stunden dauern. Für lebende Organismen
wäre diese Zeitspanne wohl unweigerlich zu lange und würde das
Überleben ernsthaft in Frage stellen. Ashby führt diesen Gedanken zu seiner logischen Schlussfolgerung, indem er feststellt:

    Wenn wir wie Homöostaten wären und warten müssten, bis uns eine
bestimmte Einstellung auf einen Schlag unsere gesamte für das Erwachsensein typische Lebensanpassung vermittelte, so müssten wir ewig warten. Doch das Kind wartet nicht ewig; im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit, dass es diese Lebensanpassung innerhalb von zwanzig Jahren
erreicht, ist fast vollkommen [4, S. 136].
    Ashby verweist dann darauf, dass in natürlichen Organismen
eine Erhaltung einmal gefundener Anpassungen stattfindet,
sodass die Suche nach der bestmöglichen Anpassung nicht jedes
Mal erneut vorgenommen werden muss, als sei sie nie zuvor
gefunden worden.
    Was all dies mit der Pragmatik der menschlichen Kommunikation zu tun hat, ist Folgendes: Wenn ein System mit der Fähigkeit ausgestattet ist, einmal geleistete Anpassungen für künftige
Anwendung zu speichern, so bringt dies eine drastische Veränderung in der Wahrscheinlichkeit seiner Verhaltensabläufe mit sich.
Während die Konfigurationen der Teilsysteme des Homöostaten
sich regellos folgen (und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens jeder möglichen Konfiguration daher immer gleich ist), verschiebt sich in einem solchen System die Wahrscheinlichkeit
seines Verhaltens in dem Sinn, dass gewisse Verhaltensformen
häufiger auftreten und damit wahrscheinlicher werden als andere.
Es muss schon jetzt mit aller Klarheit festgestellt werden, dass keinerlei Notwendigkeit besteht, diesen Häufungen irgendeinen
besonderen Sinn zuzuschreiben. Ein Ablauf von der eben
erwähnten Art ist einer der Grundbegriffe der Informationstheorie und wird stochastischerProzess genannt. Dieser Begriff bezieht
sich also auf die probabilistische Regelmäßigkeit, die einer Folge
von Symbolen oder Geschehnissen innewohnt, mag diese Folge
so einfach sein wie jene, die durch das Ziehen von schwarzen und
weißen Kugeln aus einer Urne zustande kommt, oder so kompli
ziert wie die spezifischen Strukturen, die sich aus der Verwendung bestimmter tonaler und orchestraler Elemente durch einen
bestimmten Komponisten ergeben. Im Sinn der Informationstheorie kann man auch sagen, dass stochastische Prozesse Redundanz zeigen - ein Begriff, der mit dem bereits häufiger verwendeten Begriff der Struktur praktisch gleichbedeutend ist. Auf
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