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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder
Autoren: Evelyn Sanders
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ihm im Brustton der Überzeugung erklärt, die kämen erst im Frühjahr wieder rein. Das hatte er mir aber nicht geglaubt und sich selber auf die Suche gemacht, um mir wenig später drei dieser dunkelgrünen Plastikbehälter zu präsentieren. Und ich hatte angenommen, es handele sich um eine spezielle Blumensorte für Friedhöfe!
    »Du scheinst zu vergessen, dass ich noch ein paar kleine Nebenbeschäftigungen habe«, erinnerte ich meinen Schwiegersohn, »nämlich einen Ehemann, ein angefangenes Manuskript und ein Haus. Der Unterschied zwischen Hausarbeit und Büroarbeit besteht jedoch in erster Linie darin, dass man das, was im Haushalt liegen geblieben ist, nicht um fünf in eine Schreibtischschublade stopfen kann.«
    Das sah er ein, meinte aber, das ganze Geheimnis eines aufgeräumten Schreibtischs sei ein überdimensionaler Papierkorb.
    Da klingelte das Telefon, aber weil Hannes gerade in einen Apfel gebissen hatte, musste ich den Hörer abnehmen. »Firma XY, guten Tag.«
    »Bist du dran, Steffi?«
    Die Stimme kannte ich doch?! »Nein, ich! Wieso rufst du jetzt an, bist du denn nicht in der Schule?«
    »Doch, aber wir haben gerade große Pause«, sagte Katja. »Kannst du schnell eine Bestellung aufnehmen?«
    »Etwa für ’ne Kranzschleife?« Andere telefonische Aufträge waren mir noch nicht untergekommen. »Ist jemand gestorben?«
    »Nein, für Blumentöpfe. Hast du was zum Schreiben da?«
    Ich hatte.
    »Also erst mal dreißig Töpfe von der zweitkleinsten Größe, den Durchmesser weiß ich nicht mehr, aber die wirst du schon finden, dazu die passenden Untersetzer, auch aus Ton, bloß kein Plastik, dann eine Tüte Blumenerde, die kleinste genügt bestimmt, eine Tüte Goldpuder, ich weiß nicht, wie das Zeug heißt, das sind so glänzende Krümel zum Streuen, dann brauche ich noch zwei Rollen grünes Band mit Draht, aber nicht zu grün und auch nicht zu breit, vielleicht – warte mal, ich hole schnell ein Lineal – na ja, so ungefähr zwei Zentimeter …«
    »Bist du bald fertig«, unterbrach ich meine Tochter, als sie gerade mal Luft holte, »ich denke, ich soll eine Bestellung aufnehmen und kein Buch schreiben!«
    »Es kommt ja nicht mehr viel, nur noch eine Packung Engelhaar, zwei Lichterketten, zwei Kartons silberne Kugeln matt und zwei Beutel künstlicher Schnee. Ist alles für die Schule. – Fährst du heute nach Hause?«
    »Das hatte ich vor.«
    »Prima, dann kannst du die Sachen ja mitnehmen, und ich hole sie am Montag auf dem Weg zur Schule bei dir ab.«
    »Um wie viel Uhr wäre das denn?«
    »So gegen sieben. Ich bringe auch Brötchen mit!«
    Wie nett! Und deshalb sollte ich im Morgengrauen aufstehen? Das hatte ich mindestens fünfundzwanzig Jahre lang getan, nicht zu vergessen die letzten Tage, da war die Nacht schon kurz nach sechs zu Ende gewesen, jetzt wollte ich mal wieder ausschlafen, nicht im Dunkeln aus den Federn müssen … und was sagte ich unverbesserliche Glucke? »Ja, geht in Ordnung, wenn du kommst, ist der Kaffee fertig. Oder trinkst du morgens immer noch Tee?«
    Hannes grinste nur, als ich den Hörer aufgelegt hatte. »Sie finden dich überall!«
    Es wurde ein bewegter Abschied, nachdem ich den Kofferraum vom Wagen mit Katjas Bestellung voll gepackt hatte. Den Kranz von Lissy musste ich auf den Rücksitz legen, sonst wäre er zerquetscht worden. Ein bisschen hatte ich mich ja gewundert, als sie ihn mir in die Hand drückte, der erste Advent war doch noch zwei Wochen hin, Kerzen waren auch nicht drauf, nur ein paar goldene Kugeln und kleine rotwangige Äpfel, die verführerisch echt aussahen. »Sehr hübsch«, sagte ich lauwarm, »hält der sich denn bis Weihnachten?«
    »Erstens ist das kein Adventkranz«, kicherte Steffi, »zweitens ist er aus künstlicher Tanne, und drittens hängt man ihn an die Tür. An die Haustür, wohlgemerkt! Außen!«
    Richtig, das war ja in Mode gekommen! Früher hatte es so was nur aufm Land gegeben, Ährenkränze zum Beispiel oder in Ungarn die Maisbüschel, dann lernten wir den American Way of Life kennen, doch bis sich dessen Türkränze bei uns durchgesetzt hatten, mussten Jahrzehnte vergehen. Popcorn im Kino und Grillpartys im Garten gibt es dagegen schon so lange, dass kaum noch jemand weiß, wie das Leben ohne diese kleinen Beigaben gewesen ist.
    Eine dicke elfenbeinfarbene Kerze musste ich auch noch mitnehmen und ein Duftlämpchen mit verschiedenen Ölen, doch als ich mich von Mäxchen verabschieden wollte, rief mich Steffi an die Kasse.
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