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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder
Autoren: Evelyn Sanders
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spät, dann dauert die Ehe nicht so lange!‹ Wie findest du das?« Liebevoll strich er über die Revers seiner Neuerwerbungen – hatte er bei mir schon lange nicht mehr getan! -und sah mich herausfordernd an.
    »Sandra ist längst out, das hast du bloß noch nicht mitgekriegt, weil dich ja das Liebesleben deiner Nachkommen viel zu wenig interessiert, aber dass Sven die momentan von ihm favorisierte Jessica zu deiner Schwiegertochter machen wird, glaube ich nicht. Sie hat aufgeklebte Fingernägel, Angst vor Mäusen und wechselt täglich die Handtücher.«
    Besonders Letzteres war bei Sven auf völliges Unverständnis gestoßen, denn er selbst bevorzugt dunkelblaues Frottee, bei dem die Spuren flüchtigen Händewaschens erst nach acht bis zehn Tagen auffallen, wenn die Handtücher anfangen steif zu werden (vielleicht sollte ich bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass unser Erstgeborener in zwei Jahren vierzig wird und die Unarten der pubertären Phase eigentlich abgelegt haben sollte).
    Oberhaupt müsste ich erst einmal meine Sippe vorstellen und ihren Werdegang vom Windelalter bis zur unlängst erfolgten Verbeamtung auf Lebenszeit (ein Wort, das der Duden bis heute doch glatt ignoriert!) schildern …
    Oberhaupt der Familie (zumindest auf amtlichen Formularen) ist Rolf, der jahrzehntelang namhaften, meist jedoch weniger bekannten Firmen geholfen hat, ihre Produkte an den Mann bzw. an die Frau zu bringen. Seitdem wir mit der Fernsehwerbung leben müssen, würde ich diese Art des Broterwerbs auf der Karriereleiter ziemlich weit unten ansiedeln, aber damals galt ein Werbeberater (neudeutsch Art-Director) auch ein bisschen als Künstler, und denen hat man ja schon immer einiges nachgesehen. War auch nötig, denn in den sechziger Jahren hatte die deutsche Durchschnittsfamilie – statistisch gesehen – einskommaundetwas Kinder, in der Realität also zwei, dafür hatten soundsoviel Ehepaare keine, und wer mehr hatte, war entweder Italiener, Türke oder asozial.
    Wir hatten fünf. Zwei Jungs, drei Mädchen, dazu diverses Kleinvieh, das sich während unserer häufigen Umzüge glücklicherweise immer mal wieder dezimierte, wechselnde, mitunter etwas absonderliche Haushaltshilfen, meistens jedoch keine, dafür aber nur ein Auto, mit dem eben jenes Oberhaupt häufig tagelang unterwegs war. Einen Zweitwagen bekam ich erst, als er eigentlich schon in die Kategorie überflüssiger Luxus fiel, weil die Kinder nicht mehr zum Sportklub oder zur Disko gebracht werden mussten, sondern für Kino und Fitnessstudio ihre eigenen Autos benutzten. Sehr betagte Vehikel natürlich, mit immer bloß noch ein paar Monaten TÜV, aber größtenteils selbst verdient und nur manchmal ein bisschen gesponsert. So kurvte Sven monatelang in einer rollenden Litfasssäule herum, von oben bis unten mit Werbung beklebt, die von Salamander-Schuhen bis zu Buttermilch so ziemlich alle Sparten des Konsumangebots umfasste. Lediglich auf das Logo vom Sex-Shop hatte er schweren Herzens verzichtet, obwohl die angeblich am meisten gezahlt und ihm darüber hinaus beim Einkauf Rabatt eingeräumt hätten.
    Beruflich waren unsere Ableger verschiedene Wege gegangen. Sven hatte sich auf Garten- und Landschaftsbau geworfen (daher stammt auch seine Vorliebe für dunkle Handtücher), Sascha hatte Restaurantfachmann gelernt, war zwei Jahre lang als Steward auf der
Queen Elizabeth II
ein paar Mal über die Weltmeere geschippert, hatte auf dem Kahn seine Vicky kennen gelernt und ein Jahr später geheiratet. Die »englische Hochzeit« ist uns heute noch unvergesslich; von der bevorstehenden Scheidung haben wir erst erfahren, als sie schon beinahe ausgesprochen war.
    Steffi hatte nach erfolgreicher Abschlussprüfung und einigen Monaten Schreibtischtätigkeit bei einer Versicherung festgestellt, dass sie eigentlich gar keine Lust zu einem Bürojob hatte und doch erst einmal gründlich überlegen wollte, auf welch weniger eintönige Weise sie künftig ihre Brötchen verdienen könnte. Eine Zeit lang überführte sie Autos für einen Mietwagen-Service, jobbte in einer Diskothek, verliebte sich in den falschen Mann, danach in den richtigen, der dann doch wieder der falsche war, aber dass aller guten Dinge drei sind, hat sich bewahrheitet, als sie Hannes kennen lernte. Sie hat ihn nicht nur geheiratet (oder er sie, darüber besteht zwischen den beiden noch immer Uneinigkeit), sondern in seiner Firma auch genau den Job gefunden, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass es ihn gibt.
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