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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder
Autoren: Evelyn Sanders
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nur kurzen Aufstieg japsend vor dem Kirchlein zu stehen.
    Der Hochzeitszug formierte sich, dann schritten wir in die Kapelle, dankbar für Schatten und Kühle. Das Harmonium war leicht verstimmt, die davor sitzende Dame offenbar in Eile, mit dem Gesang klappte es auch nicht so richtig, weil kaum jemand wollte (oder konnte), aber der Pastor freute sich, denn er hatte eine schöne Rede vorbereitet, die bestimmt von dem sonst gängigen Text abgewichen ist. Man traut ja doch nicht so häufig ein Paar, von dem jeder Teil schon eine Ehe hinter sich hat. Ein bisschen störend waren nur unsere Videofilmer, die sich vor lauter Eifer gegenseitig vors Objektiv gerieten, und als Sven stolperte und in letzter Sekunde Halt suchend eine Säule umarmte, bevor er dem Pastor in den Rücken gefallen wäre, wurde er höflich aber bestimmt vor die Tür gesetzt. Deshalb gibt es auf einem Teil seines Filmes auch eine Menge Nahaufnahmen von diversen Wiesenkräutern sowie zweimal einen ausgedehnten Schwenk übers Neckartal.
    Nach dem gemeinsamen kläglichen Abgesang, zu dem sich niemand berufen zu fühlen schien, ging es wieder hinaus in die Hitze. Unter dem einzigen, ein bisschen Schatten spendenden Baum erwartete uns ein weiß gedecktes Tischchen mit Kühltaschen und zwei dahinter aufgereihten dienstbaren Geistern. Mit beneidenswerter Fertigkeit öffneten sie Sektflaschen, füllten Gläser, reichten sie herum. Auf Wunsch mit Orangensaft. Der war dann auch zuerst alle. Kaum jemand wollte Alkohol.
    »Ich tippe auf 27 Grad«, sagte Hannes, sein nur halb geleertes Glas unauffällig in ein Grasbüschel kippend.
    »Der Sekt?«, fragte ich erstaunt, denn für meinen Geschmack war er sogar ein bisschen zu kalt.
    »Nee, die Temperatur. Dabei ist es noch nicht mal zwölf Uhr« Nach einem kurzen Rundblick öffnete er den obersten Hemdenknopf. »Was meinst du, wie lange müssen wir hier rumstehen?«
    »Na, bis die Flaschen leer sind«, vermutete jemand von der neuen Verwandtschaft, von der ich noch immer nicht genau wusste, wer denn nun zu wem gehörte. Die Frauen waren in der Überzahl, also mussten noch Freundinnen von Nastassja darunter sein. Sascha hatte ja auch seinen österreichischen Freund Thomas eingeladen, der ihm schon bei seiner ersten Hochzeit in England als »best man« so hilfreich zur Seite gestanden, inzwischen selbst geheiratet hatte und mit Frau sowie selig im Kinderwagen vor sich hin glucksendem Säugling angereist war.
    Zwei in Schlabberkleider gewandete, babyrosa geschminkte Damen kamen herangekeucht. Wo denn das Brautpaar bleibe, man habe doch für halb zwölf Uhr den Fototermin vereinbart, jetzt sei es schon drei viertel, und ihre Zeit hätten sie ja auch nicht gestohlen.
    Also klemmte sich Steffi noch einmal hinters Steuer, die Braut musste zur Seite rücken, was ihrem sehr hübschen, aber auch sehr ausladenden Kleid gar nicht gut bekam, denn der Bräutigam sollte jetzt natürlich mit im Wagen sitzen, die beiden Mädchen quetschten sich auf den Beifahrersitz, dann rollte das voll gestopfte Gefährt im Schneckentempo wieder abwärts. Wir anderen schlappten hinterher.
    »Setzt euch in den Burghof und bestellt euch, was ihr wollt!«, rief uns Sascha noch zu. »Die Knipserei kann ja nicht so lange dauern!«
    Der Burghof war besetzt. Von einer anderen Hochzeitsgesellschaft. Zahlenmäßig war sie uns weit überlegen, was natürlich erhöhten Umsatz versprach, doch da wir im Gegensatz zu ihr auch noch die Kapelle gebucht und darüber hinaus Zimmer belegt hatten, wurde uns ebenfalls ein Aufenthaltsrecht unter den Schatten spendenden Bäumen zugestanden. Die anderen Gäste mussten so lange zusammenrücken, bis einer der langen rustikalen Holztische frei wurde, nur reichten die Stühle nicht aus, was aber nicht weiter schlimm war, denn mindestens einer von uns war immer auf dem Weg von oder zu den Toiletten.
    Da saßen wir nun, tranken literweise überwiegend Alkoholfreies, hatten Hunger, weil in Erwartung kommender Genüsse niemand richtig gefrühstückt hatte, guckten alle fünf Minuten auf die Uhr (ab halb eins reklamierte Rolf sein Mittagsschläfchen, an das er sich seit Beginn seines offiziellen Rentnerdaseins gewöhnt hatte) und kamen zu dem Schluss, dass wir alle schon amüsantere Hochzeiten erlebt hatten.
    Endlich tauchte die Vorhut auf, nämlich die beiden kleinen Brautjungfern, schon etwas zerrupft, dann kam Sascha, Hemdkragen offen und Jackett überm Arm, ein paar Minuten später aus der entgegengesetzten Richtung die frisch
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