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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder
Autoren: Evelyn Sanders
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auf Blond.« Sie kicherte. »Seine Anmache ist irgendwie beknackt, zieht aber immer wieder. Er erzählt nämlich jeder, die er abschleppen will, dass er heute Geburtstag hat, aber ganz allein ist, weil seine Eltern gerade ’ne Kreuzfahrt machen oder aufm Presseball sind oder so was, dann sülzt er noch ’ne Weile rum, und zwei Stunden später steht sie mit einem passenden Geschenk und ’ner Flasche Henkel Trocken vor seiner Tür.«
    »Woher weißt du das so genau?«
    »Weil ich auch mal darauf reingefallen bin. – Nein, die nicht, wir sollen doch die großen Lichter nehmen.«
    »Ja, und?? Hat er …?«
    »Natürlich hat er, aber ich habe ihm gleich gesagt, ich will nicht, außerdem hatte ich den Film schon zweimal gesehen, und da …«
    Genau in diesem Augenblick holte mich Hannes von der Leiter. »Kannst du deiner Tochter mal ein bisschen an der Kasse helfen?«
    Höchst ungern, musste ich zugeben, zumal ich bestimmt gleich wieder unlauterer Machenschaften verdächtigt würde. »Ab morgen nicht mehr!«, versprach er, ohne zu sagen, wie er das denn verhindern wolle.
    ›An der Kasse helfen‹ bedeutet nämlich, die bereits eingescannten Artikel vom Tisch zu nehmen und in einen zweiten Einkaufswagen zu legen, während die Kundin am anderen Ende noch damit beschäftigt ist, ihren Wagen leer zu räumen.
    Der Kassenbereich ist in Stoßzeiten einfach zu klein und eine drei Meter lange Tannengirlande zu groß, um noch genug Platz zu lassen für Nikolaustüten, fünf Kartons Christbaumkugeln und ein Dutzend Goldsterne auf Stiel.
    Und dann ging es auch schon los! Ich hatte gerade zwei Hände voll Figürchen in einen kleinen Karton gepackt, als mich eine empörte Stimme einhalten ließ: »Sie da, lassen Sie das liegen, das sind meine Sachen!«
    »Das weiß ich, ich helfe Ihnen doch nur beim Wegräumen.«
    »So? Seit wann denn das?«, kam es misstrauisch zurück.
    »Nur jetzt in der Vorweihnachtszeit«, erklärte Steffi, »damit es schneller geht und Sie nicht zu lange warten müssen.«
    »Na ja, dann«, meinte die Kundin sichtlich beruhigt und schob mir ein Stapel Goldrandteller herüber. »Die müssen ganz nach unten und das Leichte obendrauf.«
    »Halt«, schrie Steffi, »die habe ich doch noch gar nicht gescannt.«
    Die nächsten zwei Damen nahmen meine Hilfe wohlwollend an, hatten sie doch mitgekriegt, welchen Job ich hier ausübte, aber schon bei der dritten wiederholte sich das alte Spiel. »Was machen Sie da? Das ist mein Kerzenständer!«
    Allmählich gewöhnte ich mich an die mehr oder weniger empörten Proteste, leierte mein Sprüchlein herunter und war schon froh, wenn mich jemand nur ganz höflich darauf aufmerksam machte, dass ich wohl versehentlich seine Sachen in meinen Wagen packte.
    Und dann war es tatsächlich fünf Uhr geworden, endlich Feierabend. Nein, doch noch nicht, man kann die Kunden natürlich nicht einfach rausschmeißen. Die letzten gingen dann auch wirklich erst kurz vor sechs. Aber die Spraydosen hatte ich trotz siebeneinhalb Arbeitsstunden noch immer nicht fertig aufgeräumt, ich war ja ständig unterbrochen worden. Außerdem hätte ich nie gedacht, dass es so viele Farbschattierungen gibt, aber wenigstens war ich schon zu M = Moosgrün vorgedrungen.
    Als aufrichtiger Mensch muss ich jedoch gestehen, dass Hannes mit meinem akribischen Aufräumen keineswegs zufrieden gewesen war. Er kam am nächsten Tag zur Besichtigung, als ich gerade T = Türkis einsortierte, besah sich schweigend die hintereinander aufgereihten, vorne exakt ausgerichteten Farbspraydosen, schüttelte den Kopf und meinte ganz ruhig: »Es sieht ja wirklich sehr ordentlich aus, aber hast du deine Bücher zu Hause auch nach dem Alphabet sortiert? Wir machen das hier nämlich immer nach Farben.«
    Mein zweiter Arbeitstag begann damit, dass ich drucken lernte. Ein Denschdich sollte heute abgeholt werden, ein paar andere Schleifen waren dazugekommen, Ludwig pflegte immer noch seine Grippe, und die Spraydosen konnten nach Hannes’ Ansicht ruhig warten.
    Den technischen Part des Druckens lernte ich ziemlich schnell. Man nimmt die gewünschten Buchstaben aus dem Regal, reiht sie nebeneinander auf, packt das zu bedruckende Taftband drauf, dann die Gold- bzw. Silberfolie und schiebt das Ganze in die Maschine; der Rest geht von allein. Danach legt man das nunmehr bedruckte Band auf den Tisch, zieht die Folie ab und beguckt sich sein Werk.
    Hier endet der technische Vorgang. Was möglicherweise schief gelaufen ist, muss dem
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