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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder
Autoren: Evelyn Sanders
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hab doch wohl groß genug geschrieben. Paul und Else Emdenschdich«, las ich langsam und akzentuiert vor.
    Wieder begann er zu lachen. »Ich stelle mir gerade die Gesichter von Paul und Else vor, wenn sie deinen Text auf ihrer Beerdigungsschleife gesehen hätten. Ein Denschdich ist nämlich kein Name, sondern die schwäbische Übersetzung für am Dienstag und bedeutet, dass sie bis morgen fertig sein muss. Von wem kam der Auftrag überhaupt?« Keine Ahnung, ich hatte glatt vergessen, danach zu fragen. »Weiß ich nicht«, musste ich zugeben, »aber es war eine Frauenstimme.«
    »Das ist natürlich außerordentlich hilfreich. Wenn man berücksichtigt, dass achtzig Prozent unserer Kunden weiblichen Geschlechts sind, dann …«
    »Ja doch, den Rest kann ich mir selber zusammenreimen! Tut mir ja auch Leid.«
    »Weißt du was«, sagte jener Mann, der meine Tochter geheiratet hatte und mir schon aus diesem Grunde den gebührenden Respekt schuldig war, »am besten gehst du wieder nach hinten und packst Tannenzweige aus, dabei kannst du am wenigsten anstellen!«
    Also ging ich nach hinten und packte Tannenzweige aus, erst kleine, dann größere, dann ganz große und zum Schluss welche mit Zapfen dran, die waren am teuersten. Das ging auch so lange gut, bis mich eine Kundin ansprach. »Haben Sie Geranien?«
    »Geranien? Jetzt?? Mitten im Winter???«
    Natürlich sei das ungewöhnlich um diese Jahreszeit, bestätigte die Dame, jedoch wolle sie die Pflanzen mitnehmen nach Spanien, um sie dort in die Balkonkästen ihres kleinen Hotels zu setzen.
    »Warum nehmen Sie denn keine echten«, platzte ich wenig geschäftstüchtig heraus, »künstliche Pflanzen in spanischen Blumentöpfen sind doch ein Widerspruch in sich.«
    »Sicher, aber was soll ich machen, wenn das Personal ständig vergisst, die echten zu gießen? Dreimal sind mir schon sämtliche Pflanzen vertrocknet!«
    Das allerdings war ein triftiger Grund. Ich reichte die Kundin an Lissy weiter, die sich später bei mir bitter beklagte, weil sie sich eine Viertelstunde lang in den Kellergewölben durch Vogelscheuchen, künstliche Kürbisse (Herbst!) und Unmengen von Rosen (Sommer!) bis zu den Frühjahrsblühern hatte durchkämpfen müssen.
    »Gehört so was denn nicht zum Dienst am Kunden?«, hatte ich mich verteidigt.
    »Natürlich, aber nicht gerade dann, wenn hier die Hütte brummt! Im Dezember blühen auch in Spanien keine Geranien. Aber ganz sicher nicht!«
    Tun sie doch, jedenfalls manchmal, und dann auch nur im Süden des Landes, aber für eine längere Diskussion über die klimatischen Unterschiede in der Deutschen zweitliebstem Urlaubsland hätte Lissy ohnehin keine Zeit gehabt.
    Endlich Mittagspause! Endlich ein Stuhl, Füße auf den Papierkorb, eine Tasse heißen Tee aus der Thermokanne. »Was hier noch fehlt, ist ein Automat mit kleinen Snacks.« Ich hatte nämlich vergessen, etwas mitzunehmen, hatte mich schon an den Vollkornkeksen schadlos gehalten, die im Büro seit wer weiß wie lange vor sich hinstaubten, doch jetzt hatte ich richtiggehend Hunger.
    »Unser Mittagessen kommt gerade!«, sagte Steffi und öffnete die Tür. Herein stapfte ein mit Tüten beladener Hannes. Sofort zog der Duft von Gebratenem durch den Raum. »Zweimal Huhn für euch, einmal Pizza für mich, als Nachtisch viermal Apfelstrudel, und hier sind auch noch frische Brötchen.« Er breitete seine Schätze auf dem Schreibtisch aus.
    Das beliebteste Haustier von uns Deutschen ist und bleibt das halbe Hähnchen: Handlich, praktisch, gut. Und kalorienreich, sofern man das Beste, nämlich die Haut, mitisst. Hatte ich früher ohne langes Nachdenken getan, doch als noch relativ neuer Nichtraucher mit pro Monat mindestens einem Kilo Gewichtzunahme hatte ich gelernt, auf solche Fallstricke zu achten. Alles Schöne im Leben hat bekanntlich einen Haken: Es ist unmoralisch, illegal, oder es macht dick! Lissy, seit über zehn Jahren nikotinabstinent und nicht mehr wie ich mit einem noch unausgeglichenen Stoffwechsel behaftet, war trotzdem wieder mal auf Diät und gabelte selbst gemachten Salat mit Bambussprossen.
    »Bringt das was?«, erkundigte ich mich.
    »Ja. Ein ruhiges Gewissen«, kam es sofort zurück.
    Ist bestimmt was Gutes, aber abnehmen wird man davon wohl kaum.
    Ich kaute noch auf dem letzten Hühnerknochen, als knapp hintereinander zwei Autos auf den Parkplatz fuhren. »Zwei Minuten vor eins, die müssen vorne an der Ecke gewartet haben.«
    »Haben sie nicht, da ist nämlich Halteverbot! – Ja
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