Menschenskinder
allerdings auf dem Balkon. Ab zwei Grad minus darf er aber aus dem Küchenfenster. Ist ja durchaus üblich, seitdem es immer mehr Nichtraucher-Wohnungen gibt.
Was sagt Steffi jedes Mal, wenn wir in der kalten Jahreszeit die letzte Pipirunde mit Mäx drehen und auf manchen Balkons oder in geöffneten Fenstern die kleinen Lichtpünktchen von brennenden Zigaretten sehen? »Das ist auch einer der Gründe gewesen, weshalb ich aufgehört habe! Ich wollte mir von so einem blöden Glimmstängel nicht mehr vorschreiben lassen, wann ich draußen frieren muss!«
Falls es interessiert: Vom Inhalt des Sparschweins habe ich mir nach genau 35 Tagen einen absolut überflüssigen, bildschönen und sündhaft teuren Seidenschal gekauft, danach allerdings mit der täglichen Fütterung aufgehört. Stefanie hat ihr Nilpferd (was sonst?) so lange gemästet, bis sie sich die ersehnte Armbanduhr leisten konnte. Seitdem rätseln wir beide, wo das eingesparte Geld eigentlich bleibt, denn am Monatsende haben wir trotzdem nicht mehr übrig als früher, nämlich gar nichts!
Kapitel 16
I ch habe dir schon mal einen ganzen Rollcontainer voll Sachen runtergestellt, die dringend aufgefüllt werden müssen«, begrüßte mich Steffi, während sie einer Kundin half, Berge von Tannengirlanden in einem Pappkarton zu verstauen, »am besten fängst du mit dem Amaranthus an, davon sind bloß noch ein paar Stängel draußen.«
»Darf ich mich wenigstens vorher noch ausziehen?
»Lieber nicht, die Heizung streikt nämlich. Hannes hat schon zweimal angerufen, angeblich ist der Monteur unterwegs.«
»Zu wem?« Doch das hatte sie schon nicht mehr gehört. Während ich die Treppe zum Büro hinaufschritt, wo mich schon schweifwedelnd Rauhaardackel Mäx erwartete – nicht etwa wegen seiner besonderen Zuneigung zu mir, sondern wegen des Schweineohrs in meinem Einkaufskorb –, überlegte ich mir zum mindestens siebzehnten Mal, weshalb ich mir das alles überhaupt antat. Früher nannte man sie ›Hiwis‹, also Hilfswillige, die mehr oder weniger freiwillig Arbeiten verrichteten, für die andere keine Zeit hatten oder sich ganz einfach zu schade waren. Wie sie heute heißen, weiß ich nicht, aber es gibt sie immer noch; nämlich Menschen, die dort einspringen, wo Not am Mann ist, beziehungsweise an der Frau.
Jetzt war es mal wieder so weit! Wir schrieben November, in sieben Wochen würde das Fest der Tannennadeln beginnen, dazwischen lagen jedoch noch diverse Gedenktage und die Adventzeit, der alljährliche Hilferuf war also schon beinahe überfällig gewesen. Vorgestern war er denn auch gekommen.
»Määm, wir brauchen dringend Unterstützung«, hatte Stefanie am Telefon gesagt, »nur für ein paar Tage, aber Lissy ist mit Bestellungen bis zur Halskrause eingedeckt, Ludwig hat Grippe, der fällt erst mal aus, und Hannes kommt kaum vom Telefon weg. Ist doch nur für kurze Zeit, so ’ne Grippe wird ja nicht ewig dauern!«
Das nicht. Zumindest bei mir hat sie nie länger als maximal zwei Tage gedauert! Wenn sich nämlich ein etwas hilfloser Ehemann und fünf Kinder in permanenter Hilfsbereitschaft überbieten, so dass man keine zehn Minuten Ruhe hat, ist es am besten, man verlässt das Bett, zieht sich an und setzt sich in Sichtweite der Küche in einen Sessel. Schon die Tatsache, dass man von der horizontalen Lage in die vertikale übergewechselt ist, signalisiert der restlichen Familie zunehmende Genesung und folglich keinen Bedarf mehr an Hilfeleistungen. »Kochst du heute wieder was Vernünftiges? Wenn du noch zu schwach bist zum Kartoffelschälen, kannst du ruhig Nudeln nehmen, die schmecken sowieso besser.«
Ludwig dagegen ist ein Mann und als solcher im Haushalt wenig gefordert. Also kann er seine Grippe nicht nur auskurieren, sondern auch die Bettruhe genießen, denn ihn wird man bestimmt nicht mit Vorwürfen überschütten wie »Du hättest mir ruhig sagen können, dass ich mein blaues T-Shirt linksrum plätten muss! Jetzt klebt das ganze Aufgedruckte unten am Bügeleisen!«
Auf Grund dieser Überlegungen hatte ich mich auf mindestens eine Woche Fronarbeit eingestellt und einen mittelgroßen Koffer gepackt, was meinen Ehemann vermuten ließ, ich wolle mich der gerade zum Südpol aufbrechenden Forschergruppe anschließen, um die Pinguine zu zählen oder was auch immer jene Damen und Herren zu erforschen beabsichtigten. Ich konnte ihn jedoch beruhigen, aber Vliespullis und dicke Jeans brauchen nun mal mehr Platz als Shorts und ärmellose
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