Menschenskinder
fand ich bei Steffi. Sie hatte mir siebeneinhalb Tage Nikotinabstinenz voraus, wusste also, in welchem Stadium der Entwöhnung ich mich gerade befand, gab gute Ratschläge, die wenig halfen, und veranlasste die Zwillinge zu täglichen Stippvisiten bei mir. »Sie braucht jetzt Bewunderung und Rückenstärkung«, hieß es, »bringt ihr ab und zu mal was mit zur Belohnung fürs Durchhalten!«
Das taten sie denn auch, mal ein kleines Marzipanbrot von meiner Lieblingsmarke, dann wieder ein paar von diesen schokoladeumhüllten Piemontkirschen oder eine Packung Karlsbader Oblaten, von denen sie glücklicherweise die meisten selber aßen. Wenigstens die Bewunderung war kalorienfrei. Sie war auch ehrlich, denn beide Mädchen waren überzeugte Nichtraucher und heilfroh, zumindest ein Elternteil auf dem Wege der Besserung zu sehen. »Allmählich wirst du wieder erträglich«, freute sich Nicki, »in den ersten zwei Wochen warst du nämlich ungenießbar. Bist du dir nicht manchmal selber auf den Wecker gefallen?«
Doch, und wie! Vor allem dann, wenn ich morgens auf der Waage feststellen musste, dass ich schon wieder zugenommen hatte, denn das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen! Die Kalorien zählte ich zwar noch nicht, wusste aber schon, wo sie steckten, und verzichtete heroisch auf vieles, was ich früher ohne Bedenken gegessen hatte. Weshalb also näherte ich mich allmählich jenem Gewicht, das ich immer wieder als absolute Horrorgrenze angesehen und geschworen hatte, bei seinem (allerdings unwahrscheinlichen) Erreichen entweder ins Kloster zu gehen, wo man sich bekanntlich mehr als nur spartanisch ernährt, oder Vegetarier zu werden, was mindestens genauso schlimm sein würde. Immer bloß Obst und Gemüse? Eine grässliche Vorstellung.
Doch wozu ist man mit einer Pharmazeutin befreundet, die noch dazu in der Forschung tätig ist? Zwar erforscht sie die Altersdemenz, aber ein paar allgemeine Kenntnisse des menschlichen Körpers werden doch wohl vom Studium noch übrig geblieben sein.
Die Auskunft war wenig aufmunternd. »Wie viele Jahre hast du geraucht? So lange schon? Na, bravo, dann hat dein Stoffwechsel eine Menge zu tun, bis er sich endgültig umgestellt hat. Nein, kann ich dir nicht sagen, das ist verschieden, bei manchen dauert es wenige Wochen, bei anderen Monate. Wie viel hast du zugenommen? Das geht doch noch, ich kenne konvertierte Raucher, die haben jetzt zehn Kilo mehr drauf als früher. Nein, muss nicht sein, aber ein paar Pfündchen bleiben fast immer zurück. Was willst du? Lass das ja bleiben, nach allgemeiner Erfahrung nimmt bloß die Familie ab, wenn die Hausfrau eine Schlankheitskur macht. Und überhaupt gibt es doch durchaus tragbare Mode auch in Obergrößen, du brauchst also …«
An dieser Stelle des Telefonats habe ich den Hörer aufgelegt.
Nein, bei den Übergrößen bin ich denn doch nicht gelandet, aber von meinem früheren Gewicht habe ich endgültig Abschied genommen. Auch von meinen ›Hoffnungshosen‹, die noch immer oben in der Mansarde hängen, obwohl ich bestimmt nie mehr in sie hineinpassen werde. Ich habe auch meine sämtlichen Gürtel verschenkt, weil die Hosen nicht mehr in der Taille gehalten werden müssen, sie haben jetzt eine natürliche Bremse bekommen.
Ach ja, unlängst erzählte mir eine entfernte Bekannte, sie habe anderthalb Jahre lang nicht mehr geraucht, jedoch erst kürzlich wieder damit angefangen. »Stellen Sie sich vor, acht Kilo hatte ich damals zugenommen, habe in nichts mehr reingepasst, und wenn ich mich mal in die Stadt gewagt habe, dann habe ich um jedes blankgeputzte Schaufenster einen Bogen gemacht, um mich nicht darin spiegeln zu müssen. Jetzt rauche ich wieder, hab’ schon fünf Kilo runter und fühle mich blendend!« Sie drehte sich einmal um sich selbst.
»Wie finden Sie das Kleid? Schick, nicht wahr? Habe ich mir gestern gekauft, Größe 40.«
Das Kleid gefiel mir überhaupt nicht! Es hatte einen Gürtel und akkurat meine Größe, genauer gesagt, meine ehemalige Größe. Glücklicherweise gehört seine Trägerin zu den wirklich ganz entfernten Bekannten.
Rolf findet ja auch, ich soll wieder anfangen zu rauchen, dann müsste er nämlich mit seiner Zigarette nicht jedes Mal auf die Terrasse. In seinem Zimmer darf er natürlich, doch die übrigen Räume sind
off Limits!
Das habe ich mit Unterstützung der drei Töchter und zweier nichtrauchender Schwiegersöhne durchgesetzt. Und natürlich mit Hannes Hilfe. Der raucht nämlich auch weiter,
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