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Memoria

Memoria

Titel: Memoria
Autoren: Raymond Khoury
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nervös im Blick. Sie rechnete damit, dass der weiße Lieferwagen sie verfolgen würde, doch zu ihrem Erstaunen geschah das nicht. Der Wagen blieb, wo er war, sie sah ihn in der Ferne immer kleiner werden, bis sie rechts abbog und er aus ihrer Sicht verschwand.
    Michelle schlängelte sich an langsameren Autos vorbei und bog links ab, dann rechts, an der nächsten Kreuzung wieder links. So entfernte sie sich im Zickzack von ihrem Haus, ohne den Rückspiegel aus den Augen zu lassen. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken an Tom und die Frage, was aus ihm geworden war. Sie wusste nicht, was ihm geschehen war, wusste nicht einmal, ob er noch lebte, aber sie musste ihm schnellstens Hilfe schicken. Sie zog das Handy aus ihrer Gesäßtasche und wählte den Notruf.
    Die Leitstelle meldete sich sofort. «Um was für einen Notfall handelt es sich?»
    «Ich muss eine Schießerei melden. Ein paar Männer sind in unser Haus eingedrungen und –» Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Alex noch immer neben ihr im Fußraum hockte und sie fragend ansah. Sie verstummte.
    «Ma’am, von wo rufen Sie an?»
    «Wir brauchen Hilfe, okay? Schicken Sie ein paar Streifenwagen. Und einen Notarzt.» Sie nannte ihre Adresse, dann fügte sie hinzu: «Es ist dringend. Ich glaube, auf meinen Freund wurde geschossen.»
    «Wie ist Ihr Name, Ma’am?»
    Michelle überlegte, ob sie darauf antworten sollte. Dabei warf sie einen Blick zu Alex, der mit großen Augen zu ihr aufsah. Sie beschloss, dass im Augenblick keine weiteren Informationen notwendig waren.
    «Schicken Sie einfach einen Rettungswagen hin. So schnell wie möglich, okay?»
    Sie beendete das Gespräch.
    Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Während sie an einem langsam fahrenden Auto vorbeiraste, warf sie erneut einen Blick in den Rückspiegel. Von dem Lieferwagen war noch immer nichts zu sehen. Nach etwa fünf Minuten ging ihr Atem allmählich ruhiger, und sie half Alex, auf den Beifahrersitz zu klettern, wo sie ihn anschnallte. Nach einer weiteren halben Stunde Fahrt entschied sie, dass sie sich vorerst weit genug von ihrem Haus entfernt hatten, und sie fuhr auf den Parkplatz eines großen Einkaufszentrums draußen bei Lemon Grove.
    Eine Weile lang rührte sie sich nicht. Sie saß nur wie im Schock da, dachte an Tom – und begann zu weinen. Die Tränen liefen ihr über die Wangen, doch dann sah sie, wie Alex sie anstarrte, und sie riss sich zusammen und wischte sich die Tränen ab.
    «Komm, Schatz. Setzen wir dich nach hinten in deinen Sitz.»
    Sie stieg aus dem Wagen, half Alex in seinen Kindersitz auf der Rückbank und schnallte ihn an. Als sie wieder eingestiegen war, saß sie zitternd da und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und zu begreifen, was eben geschehen war.
    Versuchte sich darüber klarzuwerden, was sie jetzt tun sollte. Wen sie anrufen könnte. Wie sie mit dem Irrsinn, der ihr gerade widerfahren war, umgehen sollte.
    Sie hob den Blick und sah Alex im Rückspiegel. Er wirkte winzig, wie er so dasaß und sie mit großen Augen ansah, angsterfüllt, verletzlich, und als sie sein Gesicht betrachtete, tauchte aus der Benommenheit und Verwirrung ihrer Gedanken ein Name auf. Obwohl es jemand war, mit dem sie seit Jahren nicht gesprochen hatte, erschien es ihr jetzt richtig, sich an ihn zu wenden.
    Sie scrollte durch das Adressbuch in ihrem Handy, fand seinen Namen, schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel, dass seine Nummer sich nicht geändert hatte, und drückte die Wähltaste.
    Reilly meldete sich beim dritten Klingeln.

Kapitel 2
    Mamaroneck, New York
    Ich packte gerade etwas Wäsche aus der Reinigung und eine von Bierdosen schwere Einkaufstasche auf den Beifahrersitz meines Wagens, als der Klingelton meines BlackBerry ertönte.
    Es war ein typischer Julimorgen in dem kleinen Ort an der Küste, heiß und schwül, doch das machte mir nichts aus. Ich hatte gerade ein Wochenende in Manhattan verbracht – dank der wochenlangen gnadenlosen Hitzewelle ein einziger verschwitzter, sauerstoffarmer Hexenkessel –, da wegen des Unabhängigkeitstags am 4 . Juli erhöhte Alarmbereitschaft herrschte, und mich mit der üblichen Hysterie und den vielen falschen Alarmmeldungen herumgeschlagen. Danach war die Aussicht auf ein ruhiges Wochenende am Meer einfach paradiesisch, und nicht einmal der Gedanke an die bevorstehende Supernova konnte meine Laune trüben. Als zusätzlichen Bonus hatte ich das Haus für mich, denn Tess und ihre vierzehnjährige Tochter Kim waren in Arizona, wo
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