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Memoria

Memoria

Titel: Memoria
Autoren: Raymond Khoury
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eine andere Richtung lenken. Die Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen konnten warten. Michelle war gerade durch die Hölle gegangen, und sie brauchte meine Hilfe. Ich musste mich jetzt darauf konzentrieren, dafür zu sorgen, dass sie und ihr Sohn –
unser
Sohn – außer Gefahr waren.
    «Okay, alles klar, darüber können wir später sprechen.» Ich atmete tief durch, ging im Schnelldurchlauf noch einmal die spärlichen Informationen durch, die ich hatte, und fragte dann: «Wo bist du jetzt?»
    «Auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums. Hier wimmelt es von Menschen. Vorerst bin ich in Sicherheit … glaube ich.»
    «Ist dir jemand gefolgt?»
    «Ich glaube nicht.»
    Ich versuchte, mir im Geiste ein Bild von der Situation zu machen, aber es gab noch zu viele Unbekannte. «Denkst du, dieser Vorfall könnte etwas mit deiner Arbeit zu tun haben? Bist du wieder im Job?» Ich hatte gehört, dass sie die DEA verlassen hatte, nicht lange, nachdem ich aus Mexiko-Stadt abgereist war, aber die Information war veraltet.
    «Ich bin draußen, Sean. Diese Zeiten sind längst vorbei. Ich unterrichte an einer Highschool, ein völlig harmloser Job. Meine Güte, ich bin Basketballtrainerin.»
    «Du weißt also nicht, wer dahinterstecken könnte und warum?»
    «Keine Ahnung. Ich weiß nur eins: Sie waren nicht darauf aus, mich umzubringen.»
    «Wie kommst du darauf?»
    «Einer der Eindringlinge hatte freie Schusslinie. Aber er hat die Gelegenheit nicht genutzt. Wenn sie mich hätten umbringen wollen, wäre ich jetzt tot, das steht fest.»
    «Dann wollten sie dich entführen?»
    «Ich denke schon. Und das macht mir wirklich Angst, Sean. Ich meine, um Himmels willen, was wäre dann aus Alex geworden?»
    Darauf hatte ich keine Antwort, aber ich musste sie von dem Gedanken ablenken. «Wir müssen euch irgendwo in Sicherheit bringen. Hast du noch Freunde in der Behörde?»
    «Eigentlich nicht. Außerdem weiß ich nicht recht, ob ich mich im Augenblick an die wenden würde.»
    «Warum nicht?»
    «Diese Leute waren Profis», antwortete sie. «Die hatten einen bestimmten Grund für den Überfall. Ich zermartere mir das Hirn und zweifle an allem und jedem, denn ich kann mir absolut nicht vorstellen, was zum Teufel irgendwer von mir wollen könnte. Seit ich bei der DEA gekündigt habe, hätte mein Leben nicht gewöhnlicher verlaufen können. Und das bedeutet, dass es irgendwas mit meinem Vorleben zu tun haben muss. Aber wenn es so ist, weiß ich nicht, wem ich in der Behörde vertrauen kann. Ich habe undercover gearbeitet. Nur wenige Leute wussten, was ich tat. Das heißt, wenn jemand mir wegen meines damaligen Jobs an den Kragen will, muss es eine undichte Stelle geben. Das ist ein Grund, weshalb ich dich angerufen habe.»
    Der andere Grund lag auf der Hand. Und ich war froh, dass sie es getan hatte.
    «Okay. Was ist mit der Polizei in San Diego?»
    «Die kann ich nicht einschalten. Wie sieht es denn aus, falls sie Tom tot in unserem Eingangsflur finden? Ehefrauen und Freundinnen werden doch immer als Erste verdächtigt. Verdammt, wahrscheinlich ist die Pistole, die ich einem der Angreifer abgenommen habe, dieselbe Waffe, mit der Tom erschossen wurde. Und jetzt ist sie voll mit meinen Fingerabdrücken.»
    «Wenn du den Überfall nicht meldest, machst du dich aber erst recht verdächtig.»
    «Ich weiß. Aber wenn ich mich an die Polizei wende, wird es kompliziert. Du weißt doch, wie so was läuft. Sie würden erst mal vom Schlimmsten ausgehen, und dann würden sie mich festhalten, bis sie die Sache aufgeklärt hätten. Das will ich nicht, dann würde Alex irgendwelchen Flaschen vom CPS in die Hände fallen», sagte sie und meinte damit die staatliche Kinderschutzbehörde. «Sean, er ist erst vier.»
    «Hast du Verwandte in der Gegend?»
    «Nein, aber das spielt keine Rolle. Ich will einfach nicht von ihm getrennt werden, keine Sekunde», entgegnete sie mit Nachdruck. «Nicht, solange diese
mamabichos
auf freiem Fuß sind.»
    «Wenn sie hinter dir her sind, wäre es vielleicht sicherer für ihn, nicht bei dir zu sein.»
    «Zum Teufel, unter keinen Umständen. Ich lasse ihn verflucht noch mal nicht aus den Augen», kam es sofort zurück.
    «Okay», sagte ich, und etwas Warmes regte sich in mir, eine plötzliche Erinnerung an ihre unbezähmbare Willenskraft, ausgelöst von den Kraftausdrücken, mit denen sie gern um sich warf. Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach halb eins. «Du musst jetzt für ein paar Stunden untertauchen, bis ich bei
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