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Memoria

Memoria

Titel: Memoria
Autoren: Raymond Khoury
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sie Tess’ Mutter und ihre Tante auf deren Ranch besuchten. Nicht dass mich jemand falsch versteht – ich liebe Tess mehr als alles auf der Welt und habe die beiden wahnsinnig gern um mich, und seit Tess und ich wieder zusammen sind, ist mir bewusst geworden, wie sehr ich es hasse – wirklich
hasse –,
allein zu schlafen. Aber jeder braucht hin und wieder ein paar Tage für sich, um Dinge zu verarbeiten und die Akkus wieder aufzuladen, was im Grunde darauf hinausläuft, herumzugammeln, ungesundes Zeug zu essen und so faul zu sein, wie man es sich nur traut, wenn es niemand sieht. Es versprach also ein wirklich angenehmes Wochenende zu werden, bis eben das BlackBerry klingelte.
    Als ich den Namen im Display las, setzte mein Herz einen Schlag aus.
    Michelle Martinez.
    Wow.
    Ich hatte seit … Wie lange war es jetzt her? … seit vier, vielleicht fünf Jahren nichts von ihr gehört. Seit ich das beendet hatte, was sich während meines unseligen Gastspiels unten in Mexiko zwischen uns entwickelt hatte. Seit Jahren hatte ich nicht einmal mehr an Michelle gedacht. Nicht lange nach meiner Rückkehr nach New York war die umwerfende Tess Chaykin – und ich benutze den Begriff nicht leichtfertig – in mein Leben geplatzt. Ich war ihr in dem Chaos nach dem berüchtigten Überfall der Reiter auf das Metropolitan Museum of Art begegnet, und schon bald drehte sich meine Welt ganz um sie. Mit ihrer innigen, geradezu süchtig machenden Lebenslust hatte sie mich in Bann geschlagen und jegliche Gedanken an frühere Liebschaften verdrängt.
    Ich starrte eine lange Sekunde auf das Display und suchte nach möglichen Gründen für den Anruf. Als mir keine einfielen, drückte ich einfach die grüne Taste.
    «Mish?»
    «Wo bist du?»
    «Ich bin –» Ich wollte etwas Scherzhaftes erwidern, irgendeinen lahmen Witz, dass ich gerade in den Hamptons an einem Pool einen Mojito schlürfte, aber ihr Tonfall erstickte jeden Gedanken an Scherze. «Alles okay bei dir?»
    «Nein. Wo bist du?»
    Ich fühlte, wie mein Nacken sich versteifte. Michelles Akzent war derselbe wie immer, ein Überbleibsel ihrer Herkunft aus der Dominikanischen Republik und Puerto Rico, überlagert dadurch, dass sie in New Jersey aufgewachsen war, aber in ihren Worten lag keine Spur von dem lockeren, verspielten Temperament, an das ich mich erinnerte.
    «Ich bin gerade unterwegs», antwortete ich. «Ein paar Besorgungen machen. Was ist los?»
    «Bist du in New York?»
    «Ja. Mish, was ist los? Wo bist du?»
    Ich hörte ein Seufzen, eigentlich eher ein verärgertes Grummeln, denn ich wusste genau, dass Michelle Martinez niemand war, die seufzte, dann meldete sie sich wieder.
    «Ich bin in San Diego, und ich … ich stecke in Schwierigkeiten. Etwas Entsetzliches ist geschehen, Sean. Ein paar Männer sind bei mir zu Hause aufgetaucht und haben auf meinen Freund geschossen.» Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. «Ich konnte gerade noch entkommen und – Himmel, ich habe keine Ahnung, was los ist, aber mir ist einfach niemand anders eingefallen, den ich anrufen könnte. Es tut mir leid.»
    Mein Puls schnellte in die Höhe. «Nein, nein, du hast das Richtige getan. Es ist gut, dass du angerufen hast. Ist mit dir alles in Ordnung? Bist du verletzt?»
    «Nein, ich bin okay.» Sie atmete tief durch, als fiele es ihr schwer, sich zu beruhigen. So hatte ich sie noch nie erlebt. Sie war durch nichts zu erschüttern gewesen, besaß einen klaren Verstand und Nerven aus Stahl. Das hier war Neuland. Dann sagte sie: «Warte mal kurz», und ich hörte ein Rascheln, als ob sie das Handy an ihre Kleidung drückte. Ich hörte sie sagen: «Bleib sitzen, Schatz, ja? Ich steig nur kurz aus.» Die Wagentür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen, dann hörte ich wieder ihre Stimme, jetzt weniger aufgelöst, aber noch immer sehr eindringlich.
    «Plötzlich sind ein paar Männer aufgetaucht. Ich war zu Hause – wir alle waren zu Hause. Es waren vier, vielleicht fünf, ich weiß nicht genau. Ein weißer Lieferwagen, weiße Overalls, wie ein Malertrupp oder so. Wahrscheinlich damit die Nachbarn sich nichts denken. Das waren Profis, Sean, hundertprozentig. Skimasken, Glocks, Schalldämpfer. Und null Hemmungen zu schießen.»
    Mein Puls beschleunigte noch einen Gang. «Himmel, Mish.»
    Ihre Stimme brach, wenn auch kaum wahrnehmbar. «Tom – mein Freund – wenn er nicht …» Sie verstummte, dann setzte sie entschlossen neu an, wobei ihr die Qual anzumerken war. «Es klingelt
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