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Memoria

Memoria

Titel: Memoria
Autoren: Raymond Khoury
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eingehender mit den Spezialgebieten der verschwundenen Wissenschaftler beschäftigte, fand er seinen Verdacht bestätigt. Es gab ein Muster. Durch all diese Fälle zog sich ein roter Faden, den bislang nur er erkannt hatte, und er hatte seine Erkenntnis für sich behalten.
    Bis jetzt.
    Raoul Navarro – El Brujo, wie er genannt wurde, das bedeutete der Schamane, der die Schwarzen Künste praktiziert, der Hexer – suchte noch immer danach. Dessen war Corliss sicher.
    Das Brennen in seinem Rückgrat wurde stärker.
    Er wird dreister, skrupelloser, radikaler, dachte er.
    Das konnte zweierlei bedeuten. Entweder der Dreckskerl verzweifelte allmählich … oder er war seinem Ziel sehr nahe.
    So oder so war es ein schlechtes Zeichen.
    Oder vielleicht … eine Gelegenheit. Eine Gelegenheit für Vergeltung.
    Die Vergeltung, nach der Corliss sich sehnte seit jener Nacht, als Raoul Navarro und seine Männer über ihn hereingebrochen waren.
    Mit feuchten, zitternden Händen griff Corliss in seine Schreibtischschublade und nahm das harmlos aussehende Plastikfläschchen heraus. Mit einem verstohlenen Blick zur Tür vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe war, dann schüttelte er ein paar Kapseln heraus und schluckte sie. Er brauchte nichts zum Hinunterspülen. Nicht mehr. Nicht nach all den Jahren, in denen er diese Kapseln nahm.
    Natürlich hatte er keinen Beweis dafür, dass Navarro dahintersteckte. Und er hatte nicht die Absicht, seinen Verdacht zu äußern. Das alles hatte er schon seit Jahren durch, er wusste, was hinter seinem Rücken am Kaffeeautomaten geredet wurde. Er wusste, dass seine Kollegen und Vorgesetzten ihn nicht ernst nahmen. In ihren Augen war er einfach krankhaft besessen von dem Mann, der sein Leben zerstört, der ihm das Liebste auf der Welt geraubt hatte.
    Es scherte ihn nicht, was sie dachten.
    Er wusste, dass El Brujo noch immer dort draußen war. Und wie meist in seiner wachen Zeit und häufig im Schlaf entfesselte der bloße Gedanke daran einen Sturm in seiner Magengrube.
    Er starrte wieder auf den stumm geschalteten Fernseher, und während seine blicklosen Augen eine weitere Wiederholungsschleife der immer gleichen Berichterstattung aufnahmen, dachte er an den Teil der Geschichte, der ihm am nächsten ging: den Schmerz und die Verheerung, die der bewaffnete Überfall hinterlassen haben musste. Die Witwen und Waisen. Die Lebenspartner, Eltern und Kinder, die wahrscheinlich nie erfahren würden, was aus den Verschwundenen geworden war. Die Unschuldigen, deren Leben nie wieder so sein würde wie früher.
    Corliss griff zum Telefon und drückte eine Speichertaste. Sein bester Mann meldete sich sofort.
    «Wo sind Sie?», fragte Corliss.
    «Am Yachthafen», antwortete der andere. «Bin gerade im Begriff, mit einem Informanten zu sprechen.»
    «Ich habe etwas zu den Wissenschaftlern recherchiert, die oben in dem Forschungszentrum entführt wurden.»
    «Diese
cabróns
laufen aus dem Ruder.»
    «Ich denke, wir haben es hier nicht einfach mit irgendeinem
cabrón
zu tun», präzisierte Corliss.
    Der Mann schwieg eine Sekunde lang – die Bemerkung brachte ihn ganz offensichtlich aus der Fassung. Dann sagte er: «Sie denken, dass
er
dahintersteckt?»
    «Ich bin davon überzeugt.» Vor Corliss’ innerem Auge entstand das Bild des mexikanischen Drogenbosses – und es löste einen Sturm schmerzlicher Erinnerungen aus, die er nicht so leicht wieder verdrängen konnte.
    Seine Finger krampften sich um das Mobilteil des Telefons, bis das Kunststoffgehäuse unter dem Druck knirschte. «Wenn Sie fertig sind, kommen Sie her», sagte er schließlich. «Ich habe nachgedacht. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, ihn zu fassen.»
    «Klingt gut», erwiderte Jesse Munro. «Ich bin in einer Stunde bei Ihnen.»

[zur Inhaltsübersicht]
Samstag
    Kapitel 1
    San Diego, Kalifornien
Gegenwart
    Um kurz nach neun Uhr an einem ruhigen, sonnigen Samstagmorgen klingelte es an der Tür.
    Michelle Martinez räumte gerade in ihrer Küche die Spülmaschine aus, die viel voller geladen war, als es möglich schien. Dabei sang sie das mitreißende Outro von «Under the Bridge» von den Red Hot Chili Peppers mit, das aus dem Radio plärrte. Sie hob den Kopf, wischte sich mit dem Unterarm die kastanienbraunen Strähnen aus dem Gesicht und rief ins Wohnzimmer hinüber.
    «Tom? Kannst du aufmachen,
cariño?
»
    «Schon unterwegs,
alteza
», kam die Antwort aus dem vorderen Teil des Hauses.
    Michelle grinste, sah sich kurz nach ihrem
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