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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen
Autoren: Julia Kröhn
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mit der Richards (und folglich Gunnoras) verbunden war. Vermeintliche verwandtschaftliche Beziehungen, wie sie in Genealogien oft angeführt werden, sagen schließlich oft nur wenig über die tatsächliche Blutsverwandtschaft aus, sondern sollen ein Beweis sein, wie treu eine Familie zu ihrem Herrscher stand.
    Ferner werden zu Gunnoras reicher Kinderschar oft Gottfried von Brionne und Wilhelm Graf von Eu gezählt. Da Ersterer vor Richard II. geboren wurde, trotzdem nicht der Erbe der Normandie wurde und an anderer Stelle oft als Bastard bezeichnet wird, habe ich sie zwar erwähnt, jedoch zu den Kindern von Richards unzähligen, meist namenlosen Konkubinen, nicht zu denen von Gunnora gemacht.
    Von ihren Namen und ihren späteren Familien abgesehen, sind Details aus dem Leben von Gunnoras Schwestern kaum bekannt. Am ausführlichsten ist in den Quellen noch von Seinfreda die Rede, die offenbar mit einem Waldhüter verheiratet war. Als Richard sich während einer Jagd im Wald verirrte, wird ferner berichtet, fand er Unterschlupf in dessen Hütte und an Seinfreda Gefallen, doch nachts schlich Gunnora an ihrer Stelle in sein Gemach. Am nächsten Morgen begleitete sie ihn nach Rouen, übernahm dort die Haushaltsführung, wurde Mutter seiner Kinder und eine mächtige Gräfin, die über Richards Tod hinaus großen Einfluss hatte.
    Ob die Geschichte vom Tausch der Schwestern einen wahren Kern hat, kann man nicht sagen – für mich war sie in jedem Fall zu schön, um darauf zu verzichten.
    Die Figur Agnarrs ist frei erfunden. Nicht erfunden ist jedoch Richards Konflikt mit den zugewanderten Dänen Mitte der Sechzigerjahre des 10. Jahrhunderts. Das Herzogtum Normandie (von dem man genau genommen erst gegen Ende von Richards Herrschaft sprechen kann, weswegen ich ihn konsequenterweise stets als Grafen, nicht als Herzog bezeichne) wurde damals von vielen Feinden bedroht. Nur knapp entging Richard mehreren Attentatsversuchen, und nur mühsam konnte er die Truppen, die oft zur Eroberung des Gebiets ansetzten, zurückschlagen. Im Konflikt mit diesen Gegenspielern, ob dem fränkischen König Lothar, dem deutschen Kaiser Otto oder Thibaud le Tricheur, holte sich Richard Hilfe bei König Harald von Dänemark, um am Ende die Mächte, die er rief, nicht mehr so leicht loszuwerden: Die dänischen Truppen, die sich entlang der Dives und vor allem bei Jeufosse niederließen, suchten nicht nur die Nachbarländer heim, sondern bedrohten langfristig die Stabilität der Normandie. Richard musste alles daransetzen, sie unter seiner Führung zu vereinen, was wiederum nur gelingen konnte, wenn sie sich taufen ließen.
    Dudo von Saint-Quentin behauptet in seiner Chronik, Richard habe sechzehn Tage ununterbrochen gepredigt, ehe er die Dänen befrieden und zu guten Christen machen konnte. Das ist wohl die maßlose Übertreibung eines allzu wohlmeinenden und ehrfürchtigen Zeitgenossen, fest steht jedoch, dass Richards Verbindung mit Gunnora von der dänischen Bevölkerung als einheitsstiftender Akt erlebt wurde und nicht zuletzt ihrer Person die Konsolidierung seiner Herrschaft zu verdanken ist.
    Wie stark, von diesem Konflikt abgesehen, die heidnische Kultur damals wirklich war, lässt sich nicht genau sagen. Die Quellen geben darüber keinen Aufschluss, stammen sie doch aus den Federn von Christen, die in der Normandie ein christliches Land sehen wollten. Mehr Rückschlüsse lassen da schon die vielen Ortsnamen, die einen nordischen Ursprung haben, und archäologische Funde zu. Letztere sind zwar überschaubar, doch immerhin fand man 1965 in der Normandie ein Frauengrab, das denen der norwegischen und dänischen Wikinger entsprach – ein Beweis dafür, dass alte Bräuche und Sitten durchaus überlebten.
    Einschränkend ist an dieser Stelle aber natürlich zu sagen, dass diese Bräuche und Sitten nicht ohne Weiteres zu rekonstruieren sind. Der Glaube der Nordmänner war keine Buchreligion. Alles, was wir über die Götterwelt wissen, wurde aus der Perspektive von Dichtern oder christlichen Chronisten erzählt. Was das einfache Volk wirklich glaubte, bleibt im Dunkeln – und darum ist es auch nur eine Vermutung vieler Wikinger-Spezialisten, dass im Alltag der Menschen Fruchtbarkeitsriten eine größere Rolle spielten als die ferne Götterwelt.
    Ob den Göttern Opfer dargebracht wurden, gar Menschenopfer, ist nicht sicher. Möglicherweise ist diese Behauptung von christlichen Autoren einfach eine Unterstellung. In Anbetracht dessen, dass dem Leben
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