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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen
Autoren: Julia Kröhn
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wollte, fügte sie zwar mit bebender Stimme, aber entschlossen hinzu: »Aber … aber nur unter einer Bedingung.«

XIII.
988
    »Es ist ein Skandal!«, rief der Mönch Dudo verzweifelt. »Warum hast du nicht schon viel früher daran gedacht, dass man dieses Ärgernis aus der Welt schaffen muss?«
    Gunnora zuckte die Schultern, sah ihn gelassen an und verstand seine Erregung mitnichten. »Ich habe einfach nie daran gedacht«, erklärte sie.
    Dudo schüttelte mahnend den Kopf. »So etwas kann man doch nicht vergessen!«
    »Nun, ich war damit beschäftigt, meine vielen Kinder zu gebären.«
    Seine Wangen färbten sich glühend rot, und sie unterdrückte nur mit Mühe ein Grinsen. Wie leicht man diesen Mönchen zusetzen konnte, indem man nur über das Gebären sprach!
    Sie kamen sich über alle Welt erhaben vor, klug und gelehrt, weil sie schreiben und lesen konnten und Latein beherrschten, aber Gunnora war sicher, dass Dudo ohnmächtig geworden wäre, wenn er einer der vielen Geburten beigewohnt hätte. Auf den kleinen Richard war fast jährlich ein weiteres Kind gefolgt. Einige wenige waren früh gestorben, aber die meisten groß geworden: Richard, Robert, Mauger, Hawisa, Mathilde, Beatrix, und ihre Jüngste, Emma, gerade mal drei Jahre alt.
    Eben hörte man vom Hof her das Lachen und Schreien der Kleinen, wo sie spielten und respektvoll zusahen, wie Mauger Unterricht von seinem Onkel Raoul bekam – er lernte, das große, schwere Schwert zu schwingen. An seiner Seite erwiesen sich auch Gottfried und Wilhelm als gelehrige Schüler – Bastarde von Richard und gute Freunde von Gunnoras Söhnen.
    »Wie sollen wir diese Schande nur ausmerzen?«, rief Dudo verzweifelt.
    »Nun, ich denke, das ist ganz einfach«, erwiderte Gunnora spöttisch. »Der Graf muss mich spät, aber doch heiraten.«
    Sie blickte aus dem Fenster und sah in der Nähe der Stallungen auch ihren Ältesten, Richard. Längst konnte er mühelos mit dem Schwert umgehen, er bedurfte keines Unterrichts mehr. Auch er war mit Richards Bastarden befreundet, gleichwohl er sich ihnen gegenüber genauso unnahbar gab wie seinen jüngeren Brüdern. Gunnora wusste, im Zweifel hätte er sein Leben für sie gegeben, und doch war seine Haltung die hoheitsvolle und stolze eines künftigen Herrschers, dessen Amt einen Bannkreis um ihn schlug.
    Wenige konnten diesen überwinden – nur Richards Vater, Raoul von Ivry oder Turulf von Pont-Audemer, sein Lehrer. Letzterer war ein einflussreicher normannischer Krieger, der wie sie von Dänen abstammte und sich beharrlich weigerte, die Taufe zu empfangen. Der Graf hatte ihn vergebens dazu überreden wollen, aber schließlich ein Auge zugedrückt. Gunnora wiederum fand es höchst erfreulich, dass das Band zwischen ihm und ihrem Sohn ein so enges war, gleich so, als wäre Turulf Richards Onkel. Nicht minder begeistert war sie gewesen, als Duvelina Turulf heiratete. Bei ihren beiden Söhnen – Turulf, nach dem Vater genannt, und Torketil – konnte der Vater die Taufe nicht verhindern, auch wenn er lautstark protestierte, doch vielleicht wurde er von der Tatsache getröstet, dass Duvelina den beiden Knaben oft Geschichten aus dem Norden erzählte, mit denen sie selber groß geworden war.
    »Ich verstehe«, murmelte Dudo. »Das ist in der Tat die einzige Möglichkeit.«
    Der aufgeregte Tonfall schwand aus seiner Stimme, sein Blick wurde berechnend. Obwohl sie sich oft über ihn lustig machte, verbrachte Gunnora gern Zeit mit dem Mönch, der sich selbst und seinen Gott zwar viel zu wichtig nahm, der aber einen wachen Geist besaß, dem selten etwas entging.
    Kein Wunder, dass er so bestürzt reagierte, weil ausgerechnet ihm die Wahrheit um Richards und Gunnoras Verbindung verborgen geblieben war: Bis heute waren sie nicht vor Gott verheiratet, obwohl alle Welt Gunnora als Gräfin der Normandie betrachtete und sie so behandelte.
    »Ihr solltet keinen Augenblick mehr verschwenden, die Eheschließung nachzuholen«, erklärte er. »Haltet mich ruhig für einen Frömmler, aber es geht hier nicht nur um die Wahrung der guten Sitten. Auch wenn Graf Richard deinen Sohn als legitimen Erben anerkannt hat – solange du nur seine Konkubine bist, könnten die fränkischen Nachbarn an seiner Legitimität rütteln.«
    Gunnora wurde rasch wieder ernst.
    »Gewiss hast du recht«, sagte sie schnell.
    Sie entschied, ihm lieber zu verschweigen, dass eine Ehe nichts war, was sie sonderlich vermisste. Richard war ihr Mann, ganz gleich, was Gott davon
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