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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen
Autoren: Julia Kröhn
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hielt. Viel wichtiger war es in den letzten Jahren gewesen, ihren jüngeren Schwestern gute Partien zu verschaffen. Nicht nur Duvelina hatte mit Turulf einen angesehenen Mann gefunden, sondern auch Wevia, die vor einigen Jahren Gattin des Osbern von Bolbec geworden war und ihm zwei Söhne, Walter und Gottfried, geboren hatte. Gunnora liebte die beiden Neffen wie ihre eigenen Kinder, doch über keine Geburt hatte sie sich so gefreut wie über die von Jocelina, Seinfredas kleiner Tochter. Anders als jahrelang befürchtet, war diese doch nicht verdammt gewesen, unfruchtbar zu bleiben, sondern kaum ein halbes Jahr nach den Ereignissen um Agnarrs Tod schwanger geworden. Vielleicht, hatte sich Gunnora oft überlegt, war dieser Umstand Hildes Tod geschuldet, war es doch denkbar, dass ausgerechnet die Frau, die sie selbst so oft der Zauberei bezichtigt hatte, einen solchen Zauber über die Schwiegertochter gesprochen hatte, weil sie nicht wollte, dass sich ihr Blut mit dem einer Tochter des Nordens vermischte.
    »Sag, hörst du mir noch zu?«, fragte Dudo.
    Gunnora hatte seine letzten Sätze überhört, wollte das aber nicht eingestehen. »Gewiss doch! Damit kein Zweifel an Richards Legitimität besteht, müssen sein Vater und ich heiraten. Es genügt doch, wenn wir den Bund vor Zeugen bekräftigen, oder?«
    Empört schüttelte der Mönch den Kopf. »Was denkst du nur! Er muss von Gott selbst gesegnet werden.«
    »Ach herrjeh«, Gunnora unterdrückte ein Seufzen. »Auf eine Messe können euresgleichen nie verzichten, nicht wahr? Weißt du eigentlich, dass es in Dänemark so viel leichter ist, ein Kind zu legitimieren? Es genügt, ein dreijähriges Rind zu schlachten und aus dem Leder des rechten Vorderbeins einen Schuh herzustellen. Dann wird der Schuh in die Mitte des Raumes gestellt, in dem die Zeremonie stattfindet, und nachdem der Vater seinen rechten Fuß hineingesteckt hat, tut es das besagte Kind ihm gleich und hinterher sämtliche anderen Mitglieder der Familie, die solcherart bezeugen, dass sie das Kind als ihresgleichen betrachten.«
    Obwohl sie Dudo mochte, forderte sie ihn, die sie für alle anderen die vorbildliche christliche Gräfin war, gern damit heraus, dass sie ihre wahre Herkunft nicht vergessen hatte.
    »Es geht nicht nur um deinen Sohn Richard, denk daran«, ermahnte er sie streng.
    Gunnora seufzte nun doch. Dudo hatte nur herausgefunden, dass sie beide nicht verheiratet waren, weil Robert, ihr Zweitgeborener, Erzbischof von Rouen werden sollte. Das Kapitel hatte sich geweigert und behauptet, er sei nur ein Bastard, was Dudo erst zutiefst empörte, dann – als er von der Rechtmäßigkeit dieses Urteils erfuhr – kleinlaut stimmte.
    »Damit all deine Kinder als ehelich gelten, müssen sie während der Zeremonie unter dem Mantel ihrer Eltern versteckt sein.«
    »Gewiss.« Gunnora versuchte ernst zu bleiben, aber es glückte nicht recht. Sie deutete aus dem Fenster. »Aber sieh sie dir nur an, meine lebendige Schar! Wie sollen sie alle Platz unter einem Mantel finden?«
    »Er muss eben groß genug sein«, erklärte Dudo ernst.
    »Einen solchen müssen wir erst anfertigen lassen. Was wiederum eine Weile dauert«, sagte sie schmunzelnd. »Und so lange, fürchte ich, bleibe ich Richards Konkubine.«
    Dudo seufzte gottergeben. »Dein sündiges Leben währt so viele Jahre – einige Wochen werden kaum ins Gewicht fallen. Aber erst nach der Hochzeit bist du wahrhaft die Gräfin der Normandie.«
    Am Tag ihrer Hochzeit herrschte große Aufregung. Gunnoras Gemach quoll vor geschwätzigen Mädchen und Frauen über. Ob sie nun der Familie angehörten oder zur Dienerschaft zählten – alle wollten sie einen Beitrag leisten und ihr helfen, als sie sich schmückte, ankleidete und die Haare kämmte. Alle bekundeten, wie schön sie sei und gewiss auch glücklich!
    Gunnora war längst daran gewöhnt, edelste Kleidung und Schmuck zu tragen, doch Eitelkeit zählte nicht zu ihren Lastern. Die vielen Komplimente wurden ihr bald lästig, die neugierigen Blicke eine Bürde. Seht ihr nicht, hätte sie ihnen am liebsten entgegengehalten, dass ich zu alt dazu bin, eine Braut zu sein, vor allem keine, die sich vom Tag der Hochzeit die große Wende ihres Lebens erhofft, den Neubeginn, das unbekannte Glück?
    Doch auch wenn es ihr schwerfiel, den besonderen Zauber dieses Tags zu fühlen, wollte Gunnora den vielen jungen Mädchen die Hoffnung denn doch nicht nehmen, irgendwann selbst diesem Zauber zu erliegen.
    Als Unrast und
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