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Meine beste Feindin

Titel: Meine beste Feindin
Autoren: Megan Crane Sonja Hagemann
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ein simpler Platzhalter gewesen. Es war völlig egal, warum Nate Helen mehr wollte als mich, das Entscheidende war, dass es so war. An dem Abend, an dem ich sie in flagranti erwischt hatte, war er ihr nachgelaufen, nicht mir. Er war lieber bei ihr geblieben, anstatt mit mir zu reden. Und er war auf mich wütend geworden, als sie wütend auf ihn war. Auch alles andere gehörte zu dem Spielchen, das er trieb. Im schlimmsten Fall war er berechnend und versuchte, die Leute für seine Zwecke zu benutzen, aber ich war nicht einmal sicher, ob sein Benehmen derart durchdacht war.
    Die gute Nachricht war, dass ich mich nicht weiter darum scherte. Seine Beweggründe konnten mir egal sein. Er hatte also Recht gehabt, auch wenn ich es damals nicht hören wollte: Er war nicht der, für den ich ihn hielt.
    Aber selbst das war mir jetzt egal.
    Ich war frei.
    Ich fand die Damentoilette und hatte gerade das größte Wimperntuschendesaster beseitigt, da flog die Tür auf, und Helen kam herein.
    »Wir sollten wirklich aufhören, uns an solchen Orten über den Weg zu laufen«, sagte ich und drückte ein wenig den Rücken durch. »Aber falls du wieder auf mich losgehen willst - ich denke, dass wir für Feiertage eine Waffenruhe vereinbaren sollten.«
    »Witzig wie immer«, sagte Helen und stellte sich neben mich. Es herrschte Schweigen, während sie ihre Haare in Ordnung brachte und ihr Kleid glattstrich. Ich schminkte mir noch den Mund und verstaute den Lippenstift wieder in meiner Handtasche.
    Dann standen wir beide da und blickten unser Spiegelbild an. Wir sahen aus, als wäre die eine von uns eine merkwürdige Umkehrung der anderen. Helen war ein dunkler Typ, trug ein helles blaues Kleid, und ihre winzigen Knochen wirkten zerbrechlich wie die eines Vogels. Ich war viel heller, in einem sattgrünen Kleid, und das gedämpfte Licht zauberte mir großmütig einen Pfirsichteint. Eigentlich war es ja lustig, dass wir mit demselben Mann gegangen waren, wo wir doch so wenig gemeinsam hatten und kaum demselben Geschmack entsprechen konnten. Eines Tages würde ich es vielleicht wirklich witzig finden.
    »Eigentlich wollte ich dir das ja nicht sagen«, begann Helen und zerstörte die Magie des Augenblicks, »aber irgendwie habe ich es genossen, dir Nate wegzunehmen. Ausgerechnet dir, meine ich. Als wäre es ausgleichende Gerechtigkeit. Das ist übel, oder?«
    »Dass du bei so etwas an ausgleichende Gerechtigkeit denkst, ist allerdings beunruhigend«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Und nachdem ich das gehört habe, mache ich mich verständlicherweise nicht gleich ans Werk und knüpfe uns Freundschaftsarmbänder, aber ehrlich gesagt hatte ich das sowieso nicht vor.« Ich drehte mich zur Seite, so dass ich sie ansah und nicht mehr nur ihr Spiegelbild. »Aber das ist okay, oder? Wir müssen ja nicht gleich Kumbaya singen und uns an den Händen halten.«
    »Die Pfadfinder habe ich immer gehasst«, gestand Helen. »Du nicht? Diese hässlichen braunen Uniformen, als ob wir lauter kleine Jawas wären. Und die Mütter waren alle so gemein.«
    »Ich mochte die Pfadfinder«, sagte ich und runzelte die Stirn, als ich mich daran erinnerte. »Nur während der Zeremonien konnte ich einfach nicht stillsitzen, deshalb habe ich es da nicht weit gebracht.«
    »Lang, lang ist’s her.« Helen schüttelte den Kopf. »Ich hab meine Mutter dazu gebracht, die ganzen Kekse zu verkaufen. Sie konnte das viel besser als ich.«
    Sie drehte sich wieder zum Spiegel, und ich tat das Gleiche. Wir fummelten beide an unseren Haaren herum, und dann trafen sich unsere Blicke wieder. Es kam mir in den Sinn, dass dahinter eine tiefere Bedeutung steckte - hinter der Tatsache, dass wir einander nur durch diese gläserne Barriere in die Augen sehen konnten.
    Ich wusste nicht, woher dieser Gedanke stammte, aber es war was dran. Es hatte irgendwas damit zu tun, wie wir beide dastanden, so völlig unterschiedlich, Seite an Seite. Zwischen uns gab es keine Mauer. Aber wir wollten beide glauben, dass es sie gab.
    »Über Weihnachten war ich bei meiner Mutter, in Bar Harbor«, sagte Helen. »Ich bin an Acadia vorbeigekommen. Weißt du noch?«
    »Deine Viertel-Life-Crisis am Cadillac Mountain«, sagte ich und musste beinahe lächeln. »Natürlich weiß ich das noch.«
    »Keine Ahnung, warum du mir vor Weihnachten die Wahrheit über Nate und dich gesagt hast«, fuhr sie da mit merkwürdig steifer Stimme fort. »Aber du hast was gut bei mir. Du solltest nur wissen, dass ich dir auch mal
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