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Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Crossan
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ALINA
    Atmen ist ein Grundrecht, kein Privileg. Und ich will nichts anderes, als dieses Grundrecht, das uns genommen wurde, zurückzuerobern. Ich bin zwar nervös, aber Angst hab ich keine. Schließlich bin ich extra trainiert worden für diese Mission. Ich bin bereit, die Sache durchzuziehen.
    Als ich Abels Hand drücke, schaut er mich an.
    »Jetzt?«, fragt er und greift in die Hosentasche.
    »Nein, warte. Noch nicht«, flüstere ich.
    Mehrere Kameras sind direkt auf uns gerichtet und der nächste Aufseher steht nur ein paar Meter entfernt. Ich ziehe Abel dichter an mich heran und puste ihm sanft in den Nacken. Eigentlich sind wir kein Paar, aber wenn wir so tun, als wären wir eines, fallen wir weniger auf.
    »Dann sag mir, wann«, wispert Abel.
    Wir gelangen zu einem Grüppchen Sandbirken und stellen uns zu den Touristen, die die Bäume anstarren. Der Biosphären-Führer erklärt detailreich, mit welchen Maßnahmen die Bäume hier drinnen am Leben erhaltenwerden, und die Touristen, größtenteils Premium-Bürger, kaufen ihm sein Gequatsche ab.
    »Diese spezielle Birkenart hier hat zwölf Jahre gebraucht, um so groß zu werden. Nirgendwo sonst auf der Erde ist sie noch zu finden.«
    Ich verkneife mir ein Augenrollen und ziehe sogar mein Pad heraus, um ein Foto zu schießen – ganz wie eine echte Touristin.
    In diesem Moment tönt eine Durchsage durch die Lautsprecher: » Das Naturschutzareal schließt in fünf Minuten. Bitte begeben Sie sich zu den Ausgängen und verlassen Sie die Biosphäre. Das Naturschutzareal schließt in fünf Minuten. Bitte verlassen Sie zügig die Biosphäre .«
    »Jetzt ist es zu spät«, flüstert Abel, lässt meine Hand los und macht auf dem Absatz kehrt. Doch ich schlinge meine Arme um seinen Hals. Beim Training war er immer so dreist und rotzfrech. Nie hätte ich gedacht, dass er so schnell kalte Füße kriegen würde.
    »Wir können jetzt nicht zurückrudern«, sage ich. »Wir haben so lange gespart, um uns den Eintritt hier leisten zu können. Und wir brauchen die Stecklinge. Ohne die gehen wir nicht.« Ich blicke mich um. Alle Leute um uns herum orientieren sich in Richtung Ausgang, einschließlich der Aufseher. Ich küsse Abel auf die Nasenspitze, doch er weicht zurück.
    »Warum können deine Tante und dein Onkel das nicht machen?«
    »Hab ich dir doch schon erklärt«, zische ich. »Sie arbeiten im landwirtschaftlichen Bereich und bekommen keine Zugangserlaubnis für diesen Teil der Biosphäre.«
    Die Reisegruppe drängt an uns vorbei in Richtung Souvenir-Shop. Ich lächle ein älteres Ehepaar an, das uns beobachtet, und tatsächlich erwidern sie das Lächeln, bevor sie mit untergehakten Armen weitergehen.
    »Aber wenn sie mich schnappen …«
    »Sie werden uns nicht schnappen«, falle ich ihm ins Wort, obwohl ich das natürlich nicht wissen kann. Alles, was ich weiß, ist, dass ich noch nie erwischt worden bin und dass sein Zögern das Risiko nur erhöht.
    Ich führe ihn zurück zu der Stelle, die wir uns ausgeguckt haben, weil nur Kamera Nr. 4 sie erfasst.
    »Sie ist zu deiner Rechten«, erkläre ich ihm. »Verfehle sie nicht!«
    Er nickt, steckt die Hand in seine Hosentasche und zieht sie als Faust wieder heraus. Er hält den Stein also umklammert. Jetzt würde ich ihn am liebsten richtig echt küssen, nicht nur zur Tarnung, aber dafür ist keine Zeit. Und überhaupt – wer weiß, ob er überhaupt einen echten Kuss von mir will.
    Als die Überwachungskamera von uns wegschwenkt, stoße ich Abel mit dem Ellbogen an. Wie auf Knopfdruck schleudert er den Stein und ich halte den Atem an – und hätte mir am liebsten auch gleich die Augen zugehalten, denn es ist völlig klar, dass der Stein meilenweit danebengehen wird. Scheiße, jetzt kriegen sie uns! Und wir werden ganz sicher nicht mit einer Haftstrafe davonkommen. Wir werden einfach verschwinden.
    »Shit«, zischt Abel.
    Anstatt die Kamera zu zerdeppern, knallt der Steingegen einen Baumstamm, prallt ab und trifft einen Touristen am Kopf. Und während ich noch entsetzt nach Luft schnappe, laufen bereits mehrere Aufseher auf den schreienden Mann zu.
    »Mich hat was am Schädel getroffen«, brüllt er. »Man hat auf mich geschossen.«
    »Ich muss hier raus! Sofort!«, flüstert Abel. »Du kannst das nicht verstehen.«
    »Hast du noch einen?« Ich packe ihn am Ellbogen, damit er nicht wegläuft.
    Er nickt, zieht einen zweiten, deutlich größeren Stein aus der Hosentasche und versucht, ihn mir unauffällig
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