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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde
Autoren: Johanna Adorján
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erwähnen. Nicht nur, weil es ihr unhöflich vorgekommen wäre, schließlich hatte er die Karten besorgt. Sondern auch, weil er einer dieser Männer war, die etwas Kritisches aus dem Mund einer Frau vollkommen aus der Fassung zu bringen schien. Sie hatte mehrmals erlebt, wie verstört er auf negative Bemerkungen ihrerseits reagierte, selbst wenn es dabei um Nebensächliches ging wie zum Beispiel die neuen Gebäude auf der Friedrichstraße, die sie einmal als »Verbrechen an der Menschheit« bezeichnet hatte, eine Ansicht, der ihrer Meinung nach nur ein Blinder ernsthaft widersprechen könnte, doch Klaus hatte erschrocken sofort das Thema gewechselt und war partout nicht wieder darauf zurückzubringen gewesen. Ein anderes Mal waren sie wegen einer bestimmten französischen Zigarettenmarke in eine etwas irritierende Gesprächssituation geraten. (Friederike hatte die Meinung vertreten, wer Gauloises nicht richtig aussprechen kann, solle halt eine andere Marke rauchen.) Seither vermied Friederike jede kontroverse Bemerkung in seiner Gegenwart. So wichtig war es schließlich nicht. Sie kannten sich jetzt seit über zwei Jahren und noch nie war zwischen ihnen etwas geschehen, das über Wangenküsse hinausgegangen wäre. Friederike fand ihn nett . Sie traf sich mit ihm, wie man sich mit einem alleinstehenden, älteren Verwandten trifft: in der schönen Gewissheit, dem anderen etwas Gutes zu tun.
    An diesem Abend trug Klaus ein rosafarbenes Hemd, das sich mit den roten Bügeln seiner randlosen Brille entschieden biss. Es war, wie das kleine Emblem auf der Brust verriet, von einer teuren Marke, was nichts daran änderte, dass ihm die Farbe nicht stand. Seine dunkelblonden Haare waren im Rückzug begriffen, was noch übrig war, lag ihm wie ein welker Blumenkranz um den Kopf. Ich bin einfach zu groß für meine Haare, hatte er in ihrem Beisein mehr als einmal gescherzt, und dass er selbst darüber jedesmal am lautesten gelacht hatte, war natürlich eigentlich sehr nett. Friederike hatte sich ihrerseits mit ihrem Aussehen keine besondere Mühe gegeben. Pullover, Jeans – immerhin hattwarmmerhine sie hohe Schuhe an. Im Theater war sie damit mittlerer Durchschnitt gewesen, im Restaurant kam sie sich underdressed vor. Um sie herum waren lauter Paare, die aussahen, als hätten sie sich für einen Stadtbesuch schick gemacht. Am Nebentisch saß allen Ernstes eine Frau mit Hut.
    Nachdem sie bestellt hatten, sprang das Gespräch, das keinen roten Faden finden wollte, von Thema zu Thema, ohne jemals auch nur in die Nähe von irgendetwas zu geraten, das Friederike interessant gefunden hätte. Car Sharing. Wimbledon. Das Comeback einer Late Night Show. Sie waren gerade bei Klaus’ Reiseplänen für den Sommer angekommen, als eine Person Friederikes Aufmerksamkeit auf sich zog, die soeben in den Innenraum des Restaurants getreten war. Die Haare immer noch zu derselben perfekten Welle gefönt, der selbst eine Vergewaltigungsszene nichts hatte anhaben können, stand Nadja von Stettin im Türrahmen, der den Eingangsbereich vom Hauptraum trennte. Sie trug jetzt nicht mehr den goldenen Paillettenhosenanzug von vorhin, sondern ein geblümtes Kleid, ganz so, als regne es nicht. Sie sah hinreißend aus.
    »Guck mal«, sagte Friederike flüsternd zu Klaus, der sich auf der Stelle zur Tür umsah. »Nicht so auffällig«, flüsterte sie, doch die Schauspielerin schien seinen Blick registriert zu haben und wandte ihren Kopf nun demonstrativ zur anderen Raumseite hin. »Wer ist das?«, fragte Klaus. »Erkennst du sie nicht? Nadja von Stettin.« Friederike flüsterte immer noch, obwohl der Lärmpegel im Restaurant durchaus normale Sprechlautstärke zugelassen hätte. »Ach, echt?«, sagte Klaus und drehte sich ein weiteres Mal um, »die hätte ich jetzt gar nicht erkannt.« Dann nahm er das Gespräch wieder auf, und zwar exakt an der Stelle, an der er es unterbrochen hatte. »Soll total malerisch sein«, sagte er. Friederike blieb mit mehr als 90 Prozent ihrer Aufmerksamkeit weiterhin bei Nadja von Stettin. Sie trug eng anliegende hohe Stiefel, Farbe Bordeaux. »Wilder als Mallorca, mit zerklüfteten Steilklippen, und nicht so touristisch …« Ihre Handtasche, ein im selben Farbton wie die Schuhe gehaltenes Mäppchen, hatte sie lässig unter einen Arm geklemmt. »… selbst noch nie dort, aber …« Sie hatte entweder keine Strumpfhosen an oder hautfarbene, um ihr linkes Handgelenk schlängelte sich eine zierliche goldene Uhr. »… und der hat
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