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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde
Autoren: Johanna Adorján
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gesagt, es sei das absolute Paradies für Taucher. Du tauchst nicht, oder?« In diesem Moment sah Nadja von Stettin sie an. Friederike richtete ihren Blick blitzschnell auf Klaus. »Nein, ich tauche nicht.« Als sie wieder in Nadja von Stettins Richtung sah – es dauerte ein paar Sekunden, bis sie sich wieder traute –, hatte die sich in Bewegung gesetzt und näherte sich ihrem Tisch. »Das ist nichts für mich.« Sie war jetzt nur noch wenige Schritte entfernt. »Ich kriege schon vom Schnorcheln Ohrenprobleme.« Friederike sprach einfach immer weiter. »Ich hab’s einmal versucht. Irgendwas hab ich mit dem Druckausgleich falsch gemacht oder woran es halt liegt, wenn es sonst auf die Ohren geht. Ich hatte dann nachts solche Ohrenschmerzen, dass …« In diesem Moment hatte Nadja von Stettin ihren Tisch erreicht. Von Nahem war sie zierlicher als erwartet, Kleidergröße 34, schätzte Friederike. »… dass …« »Entschuldigung, ist bei Euch noch was frei?« Die Frage eindeutig an Friederike gerichtet. Ihre Stimme sanfter als vorhin auf der Bühne, ein Wispern fast, mädchenhaft, scheu. Friederike nickte, und Nadja von Stettin raffte ihr Kleid hoch und stieg über die Bank, auf der sie neben Klaus zum Sitzen kam. »Ohrenschmerzen«, sagte Klaus. Es dauerte einen Augenblick, bis Friederike verstand. »Genau. Meine Mutter hat dann eine halbe Zwiebel drauf gebunden, über Nacht. Das soll angeblich helfen. Stinkt aber.« Klaus lachte. Er lachte oft an Stellen, die Friederike gar nicht lustig gemeint hatte. »Ich bin ja so ein Mensch, der immer wieder auch mal die Seele baukamie Seelmeln lassen muss«, sagte er, wieder ernst, und begann von der Ruhe zu sprechen, die unterhalb der Meeresoberfläche herrsche, der Schönheit des Lichts, das sich darunter bricht, von der beruhigenden Wirkung, die es auf den Geist habe, nur den eigenen Atem zu hören. In Australien habe er einmal Haie gesehen und in Ägypten eine Riesenmuräne, die blitzschnell aus ihrer Höhle hervorgeschossen sei. Mit beiden Händen deutete er an, wie lang sie von Kopf bis Schwanz gewesen war. »Und ein Teil von ihr war ja immer noch unter dem Stein.« »Wahnsinn«, sagte Friederike. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie Nadja von Stettin aus ihrer Tasche ein Handy zog und nach einigem Herumkramen einen schmalen roten Stift, dessen Kappe sie löste. Dann nahm sie ihr Telefon hoch, hielt es sich vors Gesicht und zog sich, das Display als Spiegel nutzend, die Lippen nach. Nachdem sie fertig war, drückte sie die Lippen fest aufeinander, löste sie wieder und begutachtete ihr Werk. Anschließend hob sie, den Blick immer noch auf ihr Telefon gerichtet, das Kinn an und drehte den Kopf langsam von Seite zu Seite, sie schien zufrieden und packte das Telefon wieder weg.
    All das beobachtete Friederike, indem sie möglichst unauffällig unter ihrer vorgehaltenen Hand hindurchsah. In derselben Pose hatte sie zu Schulzeiten ganze Mathematikarbeiten abgeschrieben, ohne je erwischt worden zu sein. Klaus war offenbar wachsamer, jedenfalls sah er nun ebenfalls zu Nadja von Stettin, was diese natürlich bemerkte, da er ja genau neben ihr saß. »Schöne Vorstellung«, sagte er, weil sie ihn so fragend ansah. »Dankeschön«, sagte Nadja von Stettin und strich sich eine Haarsträhne zurecht. Friederike war froh über die Gelegenheit, der Schauspielerin endlich offen ins Gesicht sehen zu können. Augenfarbe grau oder blau, Brauen gezupft, Nase leicht gerötet, Botox eher nicht, auf ihrer Stirn waren feine Linien zu sehen. Allerdings waren die Lichtverhältnisse im Restaurant nicht optimal, möglicherweise schmeichelten sie. »Nein, wirklich«, sagte Klaus, »ein ganz außergewöhnlicher Abend, ich glaube, das dauert, bis man den verarbeitet hat.« Nadja von Stettin senkte leicht den Kopf, wodurch Klaus sich aufgefordert zu fühlen schien, weiterzusprechen. Er lobte das Bühnenbild, nannte den Auftritt des litauisch sprechenden Mannes, in dem Friederike, wie sich nun zeigte, zu Recht den Autor vermutet hatte, »mutig« und erklärte dann, die Liebesszene zwischen ihr und den zwei Männern habe ihn »regelrecht verstört«. »Ich bin jemand, der nicht schnell zu schocken ist«, sagte er, »aber das war echt heftig. Da hat man richtig mitgelitten.« Als die Schauspielerin lächelte, legte sich ein Kranz zarter Fältchen um ihre Augenwinkel, auf Mitte vierzig schätzte Friederike sie nun.
    Dann kam die Kellnerin mit dem Essen, und als Friederike wieder hinsah, begrüßte
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