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Mein Tutor

Mein Tutor

Titel: Mein Tutor
Autoren: Lindsay Gordon
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müssen, als ich meinen Fön in Paris ruiniert hatte.
    Todd war nicht meiner Meinung, als ich ihm sagte, dass ich mir über unsere Zukunft Sorgen machen würde.
    »Wir sind gleich«, beharrte er. »Du nimmst das Alte und verschönerst es. Ich nehme ein kaputtes Lächeln und repariere es.«
    Er versuchte es. Er gab sich Mühe, damit ich sehen konnte, warum wir zusammengehörten. Aber jedes Lächeln, das er reparierte, sah aus wie das letzte. Ich hatte mir seine Vorher-Nachher-Bilder angesehen und war deprimiert gewesen wegen der verschwundenen Lücke zwischen den Schneidezähnen, wegen des leichten Überbisses, der korrigiert worden war.
    Ich sah mich in unserem makellosen Apartment um. Es war staubfrei. Chaosfrei. Persönlichkeitsfrei.
    Wir waren ganz und gar nicht gleich.
    Bei der nächsten Haushaltsauflösung in Holmby Hills achtete ich kaum auf die Reihen hochhackiger Schuhe, die Kaftans mit den Perlenverzierungen oder den Korb voller Bakelitketten. Er war wieder da, wie ich es tief in mir bereits gewusst hatte. Gegen die Proteste meines gesunden Menschenverstands und mit nur geringer Vorsicht beobachtete ich ihn aus der Ferne dabei, wie er einige lange Silberketten begutachtete.
    Er ging, ohne etwas zu kaufen. Ich tat es ihm gleich und folgte seinem Truck – einem Ford, dunkelrot, glänzend und gut gepflegt, der fünfzig Jahre alt sein mochte, aber aussah wie am ersten Tag. Mit dem Gefühl, ein neuer Polizeischüler zu sein, fuhr ich hinter ihm her den Sunset Boulevard hinunter, durch das Millionärsland Melrose und blieb ihm, so gut ich konnte, auf den Fersen. Neben mir auf dem Beifahrersitz lag eine Ausgabe der LA Weekly , in der ich die verschiedenen Garagenverkäufe und Haushaltsauflösungen markiert hatte. Ob dieselbe Bibel wohl auch neben ihm lag?
    Es musste so sein, denn ich parkte bald einen halben Block hinter ihm in Rose, einem nicht gerade für seine Klasse bekannten Gebiet, in dem man allerdings unerwartet gute Schnäppchen machen konnte. So unauffällig wie möglich schlenderte ich zu dem Bereich, in dem die zu verkaufenden Objekte auf Laken auf dem knochentrockenen Rasen ausgebreitet waren oder auf Tischen in der betonierten Einfahrt standen. Dabei beobachtete ich ihn, wie er über einen Ledergürtel, dem die Schnalle fehlte, strich.
    Im Kopf erstellte ich rasch ein Verzeichnis der Dinge, die ich ihn kaufen gesehen hatte, und plötzlich wurde mir klar, was er vorhatte: Er baute einen Kerker und stattete diesen aus. Nur mit Werkzeugen und Spielzeug aus zweiter Hand. Gegenstände, die nie für solche Zwecke gedacht waren. Meine Wangen brannten in demselben Rot wie der zusammengefallene Gummiball, der auf einem Tisch in der Nähe lag.
    Ich wandte mich ab, aber er ergriff mein Handgelenk und hielt mich fest.
    »Ich zeige Ihnen meine«, sagte Killian, »wenn Sie mir Ihre zeigen.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen …«, erwiderte ich mit belegter Stimme.
    »Sie wollen doch die Schätze sehen, die ich entdeckt habe, oder?«
    Ich nickte. Ich konnte einfach nicht anders.
    »Ich werde Ihnen meine zeigen«, wiederholte er, und ich nickte erneut. Wir gingen noch nicht sofort. Er stellte sich erst in die Schlange und bezahlte, was er gefunden hatte, nachdem er den Preis eines Schlosses, für das der Schlüssel fehlte, heruntergehandelt hatte. Außerdem wies er auch darauf hin, dass der Gürtel defekt war und man das Stück Leder ohne Gürtelschnalle kaum noch gebrauchen konnte.
    Aber ich wusste es. Ich wusste es, weil es mir wie ein Blitz durch mein Gehirn schoss und mein Herz zum Rasen brachte. Ich wusste es wie damals, als ich den Blazer in dem Laden in die Hand nahm, bevor ich sah, dass es ein echter Made-in-Italy-Armani war. Ich wusste, dass er diesen Gürtel an meinem Hintern ausprobieren würde. Er brauchte die Schnalle gar nicht, sondern nur den Lederriemen, den ihm die verwirrte Hausfrau für fünfzig Cent verkaufte.
    Ich folgte seinem Ford zu einem Bungalow im Mesa. Wir gingen durch das Tor, und ich sah, dass der Garten voller Kleinkram stand, einer Rolle Draht, einer Badewanne mit Löwenfüßen. Normalerweise hätte ich Stunden damit verbracht, mich hier umzusehen, aber der Mann schloss seine Garage auf, und das Glänzen von Messing stach mir ins Auge.
    Er hatte genau das gemacht, was ich mir gedacht hatte. Er hatte aus Ersatzteilen einen Kerker gebaut. Auf gewisse Weise den Frankenstein aller Kerker, der trotz seiner Schlichtheit doch wunderschön war. Ein Bett hier, eine Kette dort, alles
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