Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
 Mein spanisches Dorf

Mein spanisches Dorf

Titel: Mein spanisches Dorf
Autoren: Brigitte Schwaiger
Vom Netzwerk:
sie schon verheiratet. Nie hat er sie belogen, soviel sie weiß, und nie hat er sie betrogen, soviel sie weiß. Er ist ein guter Mann, und sie führen ein ruhiges Leben. So ruhig, daß sie in letzter Zeit immer öfter ihren eigenen Atem hört. Er hat sie wegen der Herzschmerzen schon zum Arzt geschickt, aber sie war ohne Befund. Und sie glaubt, daß es nur die Liebe ist. Er hat sich daran gewöhnt, sie neben sich zu haben, wenn er nach Hause kommt. Es genügt ihm, daß sie da ist. Aber sie liebt ihn. Und wenn er am Sonntagnachmittag in Unterhosen dasitzt, eine Steckdose repariert, hin und wieder einen Blick auf den Fernsehschirm wirft, dann sitzt sie ihm gegenüber und bestaunt glücklich dieses Wunder. Den Flaum auf seiner Brust, die noch vom Sommer gebräunten Arme, die nackten Schenkel. So viel Kraft, denkt sie, wenn er will. Aber er will nicht. Das ist ja nicht das entscheidende, sagt er, das Leben besteht doch aus mehr als dem, man muß ja nicht immer – Was, fragt sie. Da schaut er sie nur traurig an. Sprich es aus, bittet sie. Du verstehst mich auch so, sagt er. Nein, ich verstehe dich nicht, sagt sie, ich verstehe nicht, warum wir uns nur einmal in der Woche lieben, warum du nicht mehr zärtlich bist, warum du mich nicht mehr liebst! Und immer, wenn sie das gesagt hat, streichelt er ihre Wange, so sanft, daß sie spürt, wie sehr er sie liebt und braucht, und er streichelt die Wange so lange, bis sie wieder spürt, daß er nur das braucht, und wenn er seine Hand zurückzieht, weiß sie, daß diese Hand erst in sechs, sieben Tagen wiederkommen wird. Und er weiß nicht, daß sie jeden Vormittag das Spiel mit dem Koffer spielt. Kleider aus dem Schrank, Koffer aus dem Abstellraum, aufs Ehebett legen, packen. Es hat sich einiges angesammelt in den vielen Jahren, sie wird seinen schwarzen Lederkoffer dazunehmen müssen, damit alles verstaut werden kann. Das Bild vom Hochzeitstag wird sie zertrümmern. Sie hat es nie leiden können. Er lacht so unbekümmert, während ihr Gesicht darauf so ernst ist. Als sie das Bild zum erstenmal gesehen hat, ist sie erschrocken, und sie hat nicht gewußt, warum. Heute denkt sie, daß unter dem Bild geschrieben stehen müßte: Meine Frau denkt zuviel, darum geht es ihr schlecht. Wenn das Bild in Gedanken zertrümmert ist und der Koffer gepackt, packt sie wieder aus, legt alles an seinen Platz zurück und hat es eilig, mit den Vorbereitungen fürs Mittagessen anzufangen. Er kommt heim, ein flüchtiger Kuß, eine Berührung, sie gehört zum Mobiliar. Sie weiß nicht, wann es angefangen hat, dieses laute Atmen. Eine Leidenschaft kann man nicht auf zwanzig Ehejahre ausdehnen, hat er ihr einmal gesagt. Wenn das Fernsehprogramm abgelaufen ist, bettet er sich zurecht und greift nach ihrem Bauch, um sie an sich zu ziehen in seine Magengrube. Aber sie muß sich freimachen, weil sie soviel Berührung nicht ertragen kann, wenn es keine Nähe gibt. Da steht sie dann nachts oft auf und geht in ein anderes Zimmer, um nicht allein zu sein. Es ist doch alles in Ordnung, sagt er, wenn sie weint. Einmal hat sie ihn gefragt, ob er es für richtig hält, wenn Menschen immer wieder ihr Leben für die Freiheit geben. Und ob man nicht ebenso für eine andere schöne Idee sterben könnte, zum Beispiel die Idee des Glücks. Welchen Glücks, hat er gefragt, und sein Gesicht war ganz groß vor ihr, die gefurchte Oberlippe, der verschlossene, trotzige Mund, die Augen, die sie nicht wahrnehmen. Du bist unbescheiden, hat er geantwortet, und ab nächster Woche wird sie zweimal wöchentlich zu einem Nervenarzt nach Linz fahren, der Amtsrat besteht darauf, daß dieser bei jedem Anlaß grundlos weinenden Frau geholfen werden muß.

Eine große Enttäuschung
     
     
    Die Frühwirth-Ansch hat immer so geheißen, die Ansch, und rote Haare, und eine, naja, das weiß ohnehin jeder, was die Frühwirth-Ansch ist. Und jetzt liegt sie im Koma, nach einem Verkehrsunfall auf der Linzerstraße. Einer ist ihr in den Volkswagen hineingefahren, von rechts kommend, aber die Frühwirth-Ansch war im Vorrang. Und jetzt ist es fraglich, ob sie überleben wird. Sie liegt auf der Intensivstation. In akuter Lebensgefahr.
    Das paßt so wenig zu ihr wie die Großmutter. Nämlich, wenn manchmal die Rede war von der Ansch ihrer Großmutter, dann hat das so komisch geklungen wie des Teufels Großmutter. Daß der Teufel eine Großmutter haben soll, das ist ja eine merkwürdige Erfindung. Und die Frühwirth-Ansch, die war so ein sagen wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher