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 Mein spanisches Dorf

Mein spanisches Dorf

Titel: Mein spanisches Dorf
Autoren: Brigitte Schwaiger
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Herr Kafka? Dann hat es ihr der Herr Kafka erzählt, und meine Mutter hat sich vielmals entschuldigt und hat sich über mich gewundert.
    Sie hat gesagt, sie hat gebadet, und dann ist sie einkaufen gegangen. Und die Tür hat sie wahrscheinlich aus Versehen zugesperrt und den Schlüssel aus Versehen eingesteckt.
    Und sie hat gesagt, das, was sie einkaufen wollte, hat sie nicht gekriegt, und deswegen muß sie morgen nach Linz fahren.
    Da habe ich wieder Angst gehabt, daß ihr im Auto etwas passiert, und am nächsten Tag bin ich am Abend am Fenster gestanden und habe immer nur gewartet, daß das Auto kommt oder das Telefon läutet mit der Nachricht, die Mutter ist in einen Baum gefahren. Und ich habe schon überlegt, ob ich das einzige Taxi anrufen soll, das wir in Freistadt haben, weil die Mutter vielleicht im Finstern in einem Straßengraben liegt und verblutet, wenn niemand auf die Idee kommt, daß sie verunglückt ist.
    Aber dann war sie da, und sie hat mir etwas aus dem Kinderparadies mitgebracht. Aber es war kein Trost, daß sie diesmal gut heimgekommen ist. Sie wird ja immer wieder nach Linz fahren und immer wieder, und einmal wird etwas passieren.
    Und einmal in der Nacht habe ich mir gedacht, die Hölle ist vielleicht, wenn ich in die Hölle komme und meine Mutter in den Himmel, und ich kann nicht zu ihr. Oder umgekehrt, und was ist der Himmel, wenn ich nicht zu meiner Mutter kann?
    Da hatte ich meine ersten Depressionen.

Die Kleine darf alles,
     
     
    weil sie einmal so krank war. Mich reißen sie beim Frisieren, wenn die Haare verfilzt sind, aber die Haare von der Kleinen sind immer verfilzt, nur frisiert sie niemand aus, weil sie so weint dabei.
    Über die Kleine sagen alle: Mein Gott, war sie ein braves Kind, bevor sie krank war, und jetzt ist sie so jähzornig, aber das kommt nur von ihrer schweren Krankheit, und man darf mit ihr nicht schimpfen. Die Kleine schläft bei den Eltern im Bett, aber ich muß mit der Frieda im Kinderzimmer liegen, und die Kleine darf langsam essen und mit vollem Mund sprechen und muß nie aufräumen, aber ich darf gar nichts, und wenn der Papa da ist, muß ich den Mund halten, weil er so viel Arbeit hat, aber mit der Kleinen redet er immer.
    Deshalb habe ich zur Kleinen gesagt: Ich frisiere dich! Da waren sie im Friedrich-Gulda-Konzert in Linz, die Mutter, der Vater und die große Schwester. Ich habe der Kleinen recht gut zugeredet und ihr versprochen, sie wird Haare haben wie eine Prinzessin, wenn ich sie einmal richtig frisiere.
    Zuerst hat sie mir alles geglaubt und sich hingestellt, und wie es zum erstenmal weh getan hat, habe ich gerufen: Au! Und: Schönheit muß leiden! Und ich habe gesagt, man soll immer lachen, wenn etwas wehtut, und sie ist stehengeblieben, und ich bin ihr wieder mit dem Kamm durch die Haare gefahren.
    Dann hat sie geweint, sie will keine schönen Haare, und ich habe gedroht, wenn sie sich nicht schön machen läßt, greift der Rübezahl durchs Fenster herein und holt sie.
    Das haben sie nämlich zu mir auch immer gesagt. Und ich habe sie ordentlich frisiert, bis es mir unheimlich geworden ist, und wie die Eltern aus dem Konzert heimgekommen sind, habe ich gedacht: Hoffentlich sagt sie nichts!
    Aber sie hat schon geschlafen.

Wir tun ein gutes Werk
     
     
    Wie wir noch kein Postfach gehabt haben, hat uns immer der Briefträger Prinz die Briefe ins Haus gebracht, und er ist so gegen zwölf gekommen, manchmal aber auch später, erst um eins, wenn er sehr viel zu tun gehabt hat. Dann haben wir oft gesagt, daß denn der Herr Prinz heute so spät dran ist, und wir waren schon recht neugierig, weil die Mutti gesagt hat, immer, wenn er so spät kommt, ist dafür ein Brief dabei, auf den wir warten. Die Mutti hat ja auch gesagt, heute bekommen wir noch einen Besuch, wenn auf einmal ganz von selbst die Kastentür aufgegangen ist.
    Oder was man die erste Nacht in einem fremden Bett träumt, das geht in Erfüllung.
    Und wenn der Herr Prinz dann die Post so spät gebracht hat, dann war manchmal wirklich ein Brief von der Frau Feyerabend dabei oder aus Kanada, von der Tante Charlotte, und einmal, wie er wieder so spät gekommen ist, ist es der Mutter aufgefallen, daß der Herr Prinz so viel schwitzt.
    Daß wir das immer übersehen haben, hat sie gesagt, und jetzt im Sommer ist es so heiß, und er rennt den ganzen Vormittag mit den Briefen von Haus zu Haus, und wir denken an gar nichts anderes, als ob er uns einen Brief bringt, und der Herr Prinz kann schon gar
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