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 Mein spanisches Dorf

Mein spanisches Dorf

Titel: Mein spanisches Dorf
Autoren: Brigitte Schwaiger
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Mann zu unserem Bauxerl hat. Opa, Opa, Opa ...! Und alles kann er haben von seinem Opa. Er ist ja wirklich ein selten liebes Kind. Nicht, weil wir die Großeltern sind, aber der Maxi ist wirklich das schönste Kind in der Stadt. Alle Leute sagen es. Und durch dieses Kind ist es mit dem Leopold auch viel besser geworden. Er hat ja sehr gelitten, wie der Poldi gesagt hat, die Medizin hat ihn nie interessiert. Gleich, nachdem das Unglück mit unserer geliebten Tochter passiert ist. Keine zwei Tage war sie unter der Erde, und der Poldi schmeißt alles hin. Daß wir unsere Tochter in den Selbstmord getrieben haben, behauptet er. Was mein Leopold gelitten hat, das kann ich niemandem beschreiben. Und wenn wir das Kinderl nicht gehabt hätten, dieses schuldlose Wesen, das uns gebraucht hat … Ich weiß nicht, was passiert wäre. Vielleicht wären wir zusammen in den Tod gegangen. Und der Poldi schließt sich einer Revoluzzerbande an. Eine Katastrophe. Aber jetzt hat der Leopold eben das Kind, und wir leben nur für das Kind. Wenn wir uns den Maxi so anschauen am Abend, wie er schläft, engelsrein und rosig und mit seinem lieben kleinen Stumpfnaserl, dann sagt der Leopold, wir müssen dem Herrgott danken für dieses Geschenk, und wer weiß, vielleicht studiert der Maxi einmal Medizin.

Zwei Herren aus dem Morgenland
     
     
    Beim Greutler ist es immer bummvoll. Das Lebensmittelgeschäft am Hauptplatz, neben der Trafik. Sie kennen es vielleicht. Beim Greutler wird man persönlich bedient von der ganzen Familie, die das Geschäft innehat seit Generationen. Ja, das kann man sagen. Schon der Urgroßvater, 1861-1919, hat auch in der Lebensmittelbranche gewirkt und, selbstredend, persönlich. Zucker und Grieß, Mehl etc., damals IGNAZ GREUTLER & SÖHNE, KOLONIALWAREN UND SPEZEREIEN. Auch Stoffe und Nähnadeln, Spagat, sogar Schuhe und Bürsten. Heute könnte man fast sagen, es sind Delikatessen, was man beim Greutler bekommt, und es sind Johann und Dora Greutler nebst deren Kindern Martina, Claudia und Johann, der ist besonders gefällig, und alle tüchtig und freundlich und immer bereit. Und flink. Weil das Geschäft, wie gesagt, immer voll ist. Da wird man auch leicht übersehen, wenn man klein ist und ein Türk und nicht viel Deutsch kann, wie der, der jetzt draußen in der Möbelfabrik arbeitet. Ol, sagt er. Wer soll das verstehen? Die Greutler nimmt immer wieder neu hinzugekommene Kundschaften dran. Ol, sagt der Türk. Stinken tut er wahrscheinlich auch. Frau Amtsrat bitte wünschen? Der Herr war vor mir, glaube ich, sagt sie. Die Frau Greutler ist perplex. Sie hat keinen Herrn gesehen. Aber dann gibt sie sich einen Ruck. Was willst denn du? Ol. Was? Öl, Öl. Sie knallt ihm die Flasche auf den Ladentisch. Und reißt ihm den Hunderter aus der braunen Hand. Öl, sagt der Türk und: Öl. Hast ja eh! Vielleicht will er zwei, sagt die Frau Amtsrat. Die Greutler knallt eine zweite Osolio auf den Tisch. Und dazu das Retourgeld. Bitte, sagt der Türk. Er zeigt auf die zwei Flaschen. Eine Nylontasche will er vielleicht, sagt die Frau Amtsrat. Die Greutler sucht lange unter den Nylonsackerln, bis sie ein gebrauchtes findet. Einen Schilling, sagt sie. Bevor der Türk unter den Münzen in seiner Hand den Schilling herausgefunden hat, hat ihn die Greutler schon genommen und in die Kassa geworfen. Die Frau Amtsrat sieht dem Türken nach, wie er aus dem Geschäft geht. Sie hat gehört, daß es zwei sind da draußen in der Fabrik, der andere ein bißchen jünger. Der weint so viel, daß er nicht arbeiten kann und im Bett liegen muß. Vom Arzt bekommt er Antidepressiva, und der ältere Türk sitzt jeden Abend bei ihm und redet auf türkisch auf ihn ein. Die Courage müßte man haben, daß man jetzt zur Greutler sagt: Sie, Sie singen so scheinheilig im Kirchenchor! Und bei Ihnen kaufe ich nichts mehr ein! Aber dann läßt sich die Frau Amtsrat von der Frau Greutler alle Wünsche erfüllen, wie immer.

Frau Amtsrat lebt unbescheiden
     
     
    Wenn sie nach dem Mittagessen neben ihrem Mann sitzt, bekommt sie Herzschmerzen. Ein starkes Ziehen dort, wo das Herz ist, oder vielleicht die Lunge. Sie kennt sich nicht so aus im Organischen, aber sie spürt, wie es zieht und wie ihr Atem laut wird, fast ein Seufzen, und immer schneller. Ihr Mann hört nichts. Er hat das Geschirr abgewaschen und die Küche gereinigt. Das tut er aus Gefälligkeit. Er macht es auch gern, weil er nach dem Essen Bewegung braucht. Heimsport, sagt er. Fast zwanzig Jahre sind
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