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 Mein spanisches Dorf

Mein spanisches Dorf

Titel: Mein spanisches Dorf
Autoren: Brigitte Schwaiger
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Schwester hat mich besucht, und sie hat mir von einem Film erzählt und von einem Schauspieler, in den sie sich sofort verliebt hatte.
    Das ist auf einem Schloß, hat sie gesagt, und der König ist gerade gestorben. Sein Sohn, der Prinz, glaubt nicht, daß der König einfach so gestorben ist, und in der Nacht erscheint ihm der Geist von seinem Vater, und der sagt ihm, daß er ermordet worden ist. Mehr erzähle ich dir nicht, sonst ist es nicht spannend, hat sie gesagt, aber du wirst sehen: Der, der den Hamlet spielt, ist wunderbar! Er heißt Laurence Olivier.
    Sie hat mich zum Kino gebracht, in der Oxford Street, und später hat sie mich wieder geholt. Ich bin lange im Kino gesessen und habe nichts verstanden, weil alles englisch war. Und ich war bis zum Schluß nicht sicher, welcher der Hamlet ist. Die Heidrun hat nämlich gesagt: Er stirbt. Aber es sind fast alle gestorben. Trotzdem hat mir einer ziemlich gut gefallen, und der war blond, und die Heidrun hat gesagt: Das war er! Der Laurence Olivier!
    Dann bin ich jeden Sommer nach England geschickt worden, damit ich gut Englisch lerne, und ich bin jedes Jahr ins Academy Theatre gegangen, weil sie jedes Jahr den Hamlet gespielt haben, und ich habe sehr gut Englisch gelernt. Das habe ich aber wieder nicht gewußt, daß das altes Englisch ist, und bei einer Schularbeit hat mir die Professorin immer viele Wörter durchgestrichen, weil sie geglaubt hat, sie sind falsch. Dabei war es elisabethanisches Englisch. Daher auch meine spätere Beziehung zum Theater und zur Literatur.
    Meine erste pointierte Kurzgeschichte handelt davon, daß ich in London ins Kino gehe, weil ich Laurence Olivier liebe. Ein alter Mann, der neben mir sitzt, fragt mich, was ich denn da in der Hand halte. Ich denke: Frag nicht so blöd, alter Trottel. Aber weil ich höflich bin, und in England ist das besonders wichtig, rede ich dann mit ihm. Nicht während der Vorstellung, aber in der Pause. Weil in England die Filme immer gleich wieder gezeigt werden, wenn sie aus sind, mit kurzen Zwischenräumen. Und wir kommen so ins Gespräch, auf englisch, und der alte Mann sagt:
    Laurence Olivier ist heute auch nicht mehr so jung wie in diesem Film.
    Ich antwortete, daß mich das nicht interessiert, und woher er das denn weiß?
    Aber da fängt der Film wieder an. Später sitze ich allein in der U-Bahn und schaue auf die Programmzettel, die ich noch immer in der Hand halte. Und da hat der Bekannte aus dem Kino heimlich seine Unterschrift draufgeschrieben: Clarence Lacoste.
    Weil in meiner Kurzgeschichte Laurence Olivier nicht Laurence Olivier heißt, sondern Clarence Lacoste. Ich habe ja beim Schreiben nicht gewußt, ob es erlaubt ist, über so bekannte Personen, die es wirklich gibt, so etwas zu schreiben. Auch wollte ich nicht, daß Laurence Olivier jetzt schon wußte, daß ich in ihn verliebt bin. Das sollte er erst später erfahren, wenn ich heiraten konnte.
    Ich mußte jedenfalls eine berühmte Schauspielerin werden, soviel stand immer fest. Und eines Tages hat mir Laurence Olivier persönlich zweimal die Hand geschüttelt. Das war im vierhundersten Geburtsjahr von William Shakespare. Ich war diesmal in Chichester, weil es dort das Festival Theatre gibt, in dem Laurence Olivier den Othello spielte.
    Damals enttäuschte er mich sehr. Unter der schwarzen Farbe konnte ich ihn so gut wie nicht sehen. Ich sagte mir immer wieder vor: Das ist Laurence Olivier! Das ist Laurence Olivier! Und kein Wort konnte man verstehen, weil es wieder altenglisch war und weil ich den «Othello» leider nicht gelesen hatte. Eigentlich glaubte ich es gar nicht, daß das wirklich Laurence Olivier war, der bloßfüßig auf der Bühne hin und herlief.
    Aber wie das Theater aus war, spürte ich, ich weiß nicht wie, daß unter den vielen kleinen Köpfen in dem Glashaus, das ein Restaurant war, ein ganz kleiner Kopf sein Kopf war. Ich ging auf das Glashaus zu, wie in Trance, muß ich sagen, und es war wie Bestimmung: Laurence Olivier saß mit mehreren Leuten, darunter seine neue Frau Joan Plowright, an einem langen Tisch, und Joan Plowright setzte sofort, als sie mich draußen stehen sah, eine grüne Brille auf. Blöde Kuh, dachte ich, glaubst du, ich komme deinetwegen?
    Don’t be childish, sagte Mrs. Dutt und zog mich von dem Glashaus weg zu ihrem Auto. Ich weinte und weinte, und Mrs. Dutt fuhr ganz schnell nach Hause. Sie wußte ja überhaupt nichts. Ich hatte an den Bürgermeister von Chichester geschrieben, daß ich das Theater
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