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 Mein spanisches Dorf

Mein spanisches Dorf

Titel: Mein spanisches Dorf
Autoren: Brigitte Schwaiger
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liebe, und daß er mir eine Familie vermitteln soll, bei der ich im Sommer als paying guest wohnen kann. Das glaubten auch die Dutts, und jetzt mußte ich vor Erschütterung die ganze Strecke von Chichester nach Tangmere, wo sie mit ihren zwei Hunden lebten, fürchterlich weinen. Und sie brachten mich ins Bett, und ich schlief weinend ein. Dann träumte ich von Laurence Olivier, und jeden Morgen, wenn ich aufwachte, war es nur ein Traum gewesen.
    Mrs. Dutt sagte, wenn ich ein good girl bin, darf ich noch einmal in «Othello» gehen, aber ich darf nicht mehr weinen. Sie hat auch mein grünes Notizbuch ins Theaterbüro getragen, damit Laurence Olivier ein Autogramm hineinschreibt. Sie sagte, daß ich es ihren guten Beziehungen verdanke, wenn ich ein Autogramm von Laurence Olivier bekomme.
    Ich fahre jetzt einmal mit dem Autobus nach Chichester, sagte ich eines Tages zu Mrs. Dutt, weil ich mir die Kathedrale ansehen möchte.
    Sie wollte es nicht erlauben, aber ich setzte es durch, und ich ging sofort ins Theater. Im Büro fragte ich nach meinem Notizbuch. Die Dame sagte, daß Laurence Olivier leider noch keine Zeit gehabt hätte für das Autogramm. Ich fragte, wo er ist. In Brighton, sagte die Dame, aber er kommt um vier, weil um sieben die Vorstellung beginnt, und it takes him two hours to black up as a moor.
    Nie werde ich diesen Satz vergessen, und den anderen auch nicht:
    Oh, I have got a pen.
    Das sagte nämlich Laurence Olivier zu mir, als ich vor ihn hintrat mit den Worten:
    I have come from Austria to see you.
    Ich nannte ihn Sir Laurence, und er gab mir sieben Autogramme. Es war entsetzlich, daß wir uns nur zweimal die Hände schüttelten. Wie kann ein Mensch, dachte ich, von dem ich alles weiß, nichts von mir wissen? Und ich fragte mich, ob es ihm aufgefallen war, wie sehr ich Vivien Leigh ähnlich sah, und anstatt ihm alles über mich zu erzählen, hatte ich ihn nur um ein Autogramm gebeten!
    Um so wichtiger wurde es, daß ich möglichst schnell eine berühmte Schauspielerin wurde.
    Aber das Leben spielte mir noch manch üblen Streich. Obwohl ich begabt war, konnte ich mich nie entschließen, meine Begabung so richtig zu zeigen. Ich wurde Regieassistentin beim Österreichischen Rundfunk und hoffte noch immer, daß irgend jemand meine Begabung und mein Aussehen entdecken würde. Aber keiner sagte etwas. Da fuhr ich nach Spanien und heiratete einen Spanier. Und als ich nach Österreich zurückkam, war ich schon dreiundzwanzig Jahre alt und mußte eine Lehrerin werden.
    Jetzt war mein Leben sowieso schon verpfuscht, und ich studierte an der Pädagogischen Akademie in Linz. Aber eines Abends, es hat geregnet, bin ich einfach ins Linzer Kellertheater gegangen und habe etwas vorgespielt. Sie nahmen mich sofort, weil sie für das Weihnachtsmärchen eine Prinzessin brauchten. Und auch in das nächste Stück paßte ich hinein. Alles ging sehr schnell. Auch mein Abgang von der Bühne nach einem Jahr. Ich wollte keine Damen mehr spielen, weil ich ganz genau spürte, daß ich keine Dame bin.
    Mein weiteres Leben verlief sehr unersprießlich, und heiraten wollte mich auch keiner mehr. Es ging immer tiefer abwärts mit mir, und darüber begann ich zu schreiben. Plötzlich verdiente ich mit dem Schreiben Geld. Ich war eine Schriftstellerin!
    Das ist natürlich auch einer der Träume gewesen, aber erst an dritter oder vierter Stelle.
    Die Schriftstellerin ist ein härterer Beruf als man glaubt, und ich wohne in der Schottenfeldgasse, wo es, wie ich heute weiß, keine Straßenbahn gibt. Nur an der Ecke Lerchenfelder-Straße-Schottenfeldgasse, und an der Ecke Burggasse-Kaiserstraße. So langsam lebe ich mich ein in Wien. Im siebten Bezirk kenne ich mich schon aus. Seit ich eine Schriftstellerin bin, kennen mich auch schon viele Leute, aber nicht alle Wiener. Und in Wien werde ich mich nie so gut auskennen wie in Freistadt. Und der Onkel Ignaz ist auch schon gestorben.

Trostgedicht
     
     
    Hinterm Marianum steht ein Baum.
    Da kannst du hingehen und schauen,
    und der Baum ist größer als du.
    Und doch nur so groß, daß du sagen kannst:
    der ist dreimal so hoch wie ich.
    Oder fünfmal.
    Dann schau zu den Sternen hinauf.
    Du mußt in der Nacht gehen,
    wenn du die Sterne sehen willst,
    und es muß eine Sternennacht sein.
    Und du schaust in die Sterne und
    Sterne
    Sterne
    Sterne
    und denkst über die Sterne nach.
    Dann schaust du zurück zum Baum.
    Und du wirst froh sein, daß es
    den Baum gibt hinterm Marianum.
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