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Mein schwarzer Hengst

Mein schwarzer Hengst

Titel: Mein schwarzer Hengst
Autoren: Barbara Schwarz
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vergangenen Jahren verändert hat. Größtenteils zum Guten, würde ich sagen. Klar steigen die Mieten, aber die sind nun mal der erste Indikator für steigende Lebensqualität. Man kann keine Stadt haben, in der es sich schön leben lässt, und gleichzeitig niedrige Mieten haben. Darüber streite ich mich manchmal mit Alexa und anderen Freunden. Vielleicht sehe ich das ja falsch, aber wer immer für einen Stadtteil wie Kreuzberg schwärmt, wie toll es doch dort ist, kann sich nicht wundern, wenn alle Welt dort wohnen will und infolge dessen die Mieten explodieren. Naja, ist nur meine Meinung. Kommen wir nun zum wirklich Wichtigen.
    Ich habe erst in Berlin meine ersten Erfahrungen mit Männern gemacht. Ich war ziemlich hübsch, möchte ich b ehaupten, und vielleicht bin ich es sogar heute noch, auch wenn ich ganz schön zugenommen habe seitdem. Aber ich war zum einen ziemlich behütet aufgewachsen (das katholische Rheinland kann wirklich sehr konservativ sein, und meine Eltern machten da keine Ausnahme). Ich hatte einen festen Freund gehabt, aber der Gute stellte sich später als schwul heraus. Ich hab ihn trotzdem lieb, und ich halte ihm zugute, dass er es versucht hat. Aber damals tat es meinem Ego nicht sehr gut, dass er so wenig Ambitionen hatte, mir die Kleider vom Leib zu reißen.
    In Berlin war ich fest entschlossen, das zu ändern. Ich ging auf Partys, tief ausgeschnitten und kurz berockt, und ich musste nie lange warten, bis ein Kommilitone sich meiner a nnahm. Aber auch wenn sie sich alle Mühe gaben und im Bett die reinsten Turnübungen veranstalteten, hatte ich nie das Gefühl, etwas besonders Tolles zu erleben. Nach einiger Zeit kam in mir der Verdacht auf, ich könnte lesbisch sein.
    Das stellte sich jedoch schnell als Irr tum heraus. Alexa stellte sich fröhlich als Testobjekt zur Verfügung – ganz im Geiste des ostdeutschen Kükens, dass die neue Freiheit gefälligst in vollen Zügen zu genießen war, wozu war man denn marschiert und so weiter? Ja, ihre Eltern hatten sie mitgenommen auf die Montagsdemos, worauf sie sehr stolz war. Auch wenn sie zugab, dass sie damals keine Ahnung hatte, was das Ganze sollte.
    Jedenfalls machten wir es uns schön in ihrem Bett g emütlich und fingen an, uns zu küssen und zu streicheln. Das ganze Experiment dauerte etwa zwei Minuten, dann war Schluss. Ich fühlte noch weniger als beim ungeschicktesten Mathematikstudenten – und das sollte was heißen. Alexa ging es genau so. Wir lachten, betranken uns anständig, schauten eine neue TV-Kuriosität namens Big Brother und waren uns einig: Dieser Stumpfsinn wird sofort wieder abgesetzt. So weit meine lesbische Karriere.
    Irgendwann kam ich auf die Idee, dass es nicht an mir lag, sondern an den Jungs. Vielleicht waren die einfach zu u nerfahren, um eine Vollfrau, als die ich mich sah, glücklich zu machen? Die Lösung musste also lauten: Erfahrene, reifere Männer.
    Da gab es für mich zunächst das Problem zu überwi nden, dass ich ältere Männer schon immer herzlich unattraktiv gefunden habe. Der Kontrast zwischen einem schlanken, geschmeidigen Mittzwanziger und einem in die Breite gehenden, Haare verlierenden Endvierziger war mir schon immer zu krass. Aber verdammt, Männer mit Erfahrung waren doch sicher in der Lage, meinen Körper in die richtigen Schwingungen zu versetzen?
    Und so landete ich in den Armen von Richard. Er war Dozent, aber keiner von meinen, sein Fach war Physik. Er war fünfzehn Jahre älter als ich, was mir gerade noch akzeptabel erschien. Für mich fängt die Altersgrenze ungefähr da an, wo dein Partner ein Elternteil von dir sein Könnte. Fünfzehn ist okay, achtzehn ist grenzwertig, zwanzig ist pervers. Ich habe gesprochen.
    Wir sahen uns ein paarmal in der Kantine und verstanden uns gut, dann kamen ein paar Dates, die sich deutlich von meinen vorherigen unterschieden: Restaurants mit Stoffserv ietten, Berliner Ensemble (das war zu der desaströsen Zeit der „Gemeinschafts-Intendanz“) und Staatsoper. Ich fühlte mich wie in den Adelsstand erhoben.
    Was den Liebesakt betraf, konnte ich eine gewisse Ve rbesserung konstatieren. Richard wusste, was er tat, und er tat es mit dem Geschick und dem Eifer, zu dem er imstande war. Leider gab es da natürlich Grenzen: Was dem jugendlichen Liebhaber an Erfahrung fehlt, das fehlt dem älteren Gentleman an Stehvermögen. Und so fand ich mich irgendwann damit ab, dass frau im Leben Kompromisse eingehen muss.
    Und so sagte ich sofort Ja, als Richard mich
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