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Mein schwarzer Hengst

Mein schwarzer Hengst

Titel: Mein schwarzer Hengst
Autoren: Barbara Schwarz
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oder so.
    Ich verdrängte den Gedanken an seinen nackten, ze rschundenen Körper, so weit ich das konnte. So allmählich wurde ich müde, es war schon fast drei Uhr morgens. Ich hörte, wie er das Wasser in die Wanne laufen ließ, und ich begab mich in mein Schlafzimmer, um meine kaputte Bluse loszuwerden. Ich schlüpfte in mein Nachthemd und zog meinen dicken Bademantel über. Dann ging ich nach unten in die Küche, um Marcus und mir noch eine Kleinigkeit zu essen zu machen.
    Viel war nicht da, so kreierte ich ein paar Sandwiches mit Käse und Kochschinken. Für einen Moment kam mir der G edanke, dass er womöglich Moslem war und kein Schweinefleisch aß, aber das würde sich dann ja zeigen. Zur Not würde er sich sicher auch über Tiefkühlpommes freuen, die ich noch hatte.
    Wie konnte ich ihn noch mehr bemuttern? Ich ging wieder rauf in mein Schlafzimmer und durchwühlte meinen Kleiderschrank. Ich fand eine Auswahl an Shirts, die geschlechtsneutral waren und ihm einigermaßen passen würden, auch wenn er sicher mindestens 1,90 m groß war. Sein zerschlissenes und vollgeblutetes T-Shirt konnte er nur noch wegschmeißen.
    Ich nahm die Shirts und ging damit zum Badezimmer. Ich klopfte.
    „Kann ich reinkommen?“
    „Ja, okay“, antwortete er fröhlich. „Ich sitz aber noch in der Wanne.“
    Tatsächlich, da lag er und schäumte sich schön ein mit meinem Schaumbad. Ich konnte wenig von ihm sehen außer seinem Kopf und seinen Armen und nahm mir fest vor, nirgendwo zu deutlich hinzusehen. Obwohl ich wirklich hätte schwören können, dass ich vorhin gesehen hatte... ich fühlte mich schrecklich, weil mir immer wieder dieser Gedanke kam. Diese alberne Klischeevorstellung über schwarze Männer. Ich hatte das Gefühl, schrecklich rassistisch zu sein.
    „Hier sind ein paar T-Shirts in XL“, zeigte ich ihm die drei Tops. „Du kannst sie alle haben, wenn du magst.“
    „Das ist super“, lächelte er, „du bist toll.“
    Er richtete sich etwas auf, um die Shirts besser sehen zu können, die ich auf den Toilettendeckel gelegt hatte.
    Und dieses Mal täuschte ich mich nicht. Die Schwerkraft sorgte dafür, dass ein bestimmter Teil von Marcus‘ Anatomie nach oben kam und nun knapp unterhalb der Wasseroberfläche trieb. Das Wasser war nicht komplett schaumbedeckt, und für einen verrückten Moment dachte ich, eine schwarze Schlange sei in der Wanne.
    Oh Jesus , dachte ich und war froh, nicht aufgeschrien zu haben. Oh großer Gott...
    Ich wandte schnell meinen Blick ab. Er hatte offenbar nichts gemerkt und ließ sich wieder tiefer ins Wasser gleiten, behaglich und zufrieden schnurrend. Wieder verglich ich ihn im Geiste mit einem Panther. Ich brachte noch schnell hervor, dass ich Schinkensandwiches gemacht hätte, und er sagte, das würde ihn freuen. Also kein Moslem, gut zu wissen. Auch wenn ich nun beinahe sicher war, dass er beschnitten war.
    Ich hastete geradezu nach unten in die Küche und setzte mich dort an den Tisch. Meine Gedanken rasten. Aber mir blieb keine Zeit, sie zu ordnen, denn schon nach ein paar Minuten kam Marcus herunter. Er war barfuß, trug aber seine Jeans und ein grasgrünes T-Shirt.
    „Wow, ich bin am Verhungern!“
    Er setzte sich mir gegenüber und fing an zu essen. Gierig verschlang er drei Sandwiches und trank dazu einen Krug Orangensaft, den ich hingestellt hatte. Er schien lange nichts mehr gegessen zu haben.
    Um mich auf andere Gedanken als seinen herrlichen Körper zu bringen, fragte ich ihn ein wenig aus. Er erzählte mir, dass er seit ein paar Jahren illegal in Deutschland lebte und seinen kargen Lebensunterhalt mit allen Arten von Schwarzarbeit verdiente. Ich wollte nicht zu sehr in ihn dri ngen, aber es wäre mir auch egal gewesen, wenn er mit Drogen dealte oder irgend so etwas. Er hatte mir schlagend bewiesen, dass er ein guter Mensch war, mehr musste ich nicht über ihn wissen.
    Über die Narben wollte er nicht sprechen. Die seien von früher, sagte er. Das sei nun alles vorbei, und er wollte es ve rgessen. Ich wollte aber zumindest wissen, aus welchem Land er stammte, und er antwortete: „Liberia“.
    Da wurde mir natürlich einiges klar. Ich war keine Expe rtin für afrikanische Politik, aber von dem großen Bürgerkrieg, der 2003 beendet worden war, wusste ich natürlich. Und dass der Ex-Diktator Charles Taylor vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag erst kürzlich wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit verurteilt worden war. Ich erinnerte mich, dass sogar von
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