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Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Titel: Mein Schutzengel ist ein Anfaenger
Autoren: Maximilian Dorner
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erfüllt hat.
    Nach dem Abendessen erzählt er es Johanna doch. Er gesteht sogar ein, dass es ihn schockiert habe, nicht mehr schwimmen zu können. Obwohl er es sich schon gedacht habe, so schlecht, wie es mit dem Gehen in den letzten Monaten geworden sei. Während er es sagt, kommt er sich vor wie jemand, der den Hinterbliebenen am Grab seine Trauer vorheuchelt. Denn ein Teil von ihm platzt vor Stolz, weil er es trotz allem geschafft hat: Er war in dem Badeteich. Auf gar keinen Fall darf irgendwer aus dem Vorfall schließen, er wäre dem nicht mehr gewachsen. Dafür ist Max sogar bereit, die Unwahrheit zu sagen oder die Wahrheit zu schönen.
    » Dein Schutzengel hat es auch nicht leicht«, sagt Johanna.
    Seine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: » Mein Schutzengel ist ein Anfänger.«
    » Ach so. Na, dann hättest du doch wenigstens nach mir rufen können. Ich hätte dich da genauso gut rausgeholt.« Johanna lässt ihn ihren Unmut spüren, indem sie ihm die Tasse aus der Hand nimmt, die er gerade in die Küche bringen möchte.
    Max schweigt. Ich habe mich selbst gerettet, krächzt eine Stimme in ihm, der er schon lange nicht mehr traut.
    Damit wir uns richtig verstehen, noch einmal in Zeitlupe für den Anfänger: Einerseits bist du stark genug, selbständig ins Wasser zu gehen, obwohl du ahnst, fürs Schwimmen untauglich zu sein. Aber damit nicht genug. Gleichzeitig bist du zu schwach, Johanna um Hilfe zu bitten, und dennoch stark genug, ihr deine Schwäche später zu gestehen. Und zu guter Letzt fühlst du dich stark genug, über deinen Schutzengel eine schwache Bemerkung zu machen. – Du steckst so voller Widersprüche, dass du unmöglich Bescheid wissen kannst, wie es eigentlich um dich steht, oder? Ob du verzweifelt bist oder nicht. Ob du überhaupt gerettet werden möchtest oder nicht. Hoffentlich findest du wenigstens das bald heraus.
    Und eines würde ich dir auch gerne noch für die Zukunft mitgeben: Nur weil jemand ein Anfänger ist, bedeutet das nicht, er wäre nicht ganz bei der Sache. Das müsstest du eigentlich wissen. Gerade du, der du anscheinend gerne mal was beginnst, ohne an die Folgen zu denken. Dass die Aktion im Badeteich nur deswegen glimpflich ausging, weil zufällig eine Luftmatratze neben dem Teich lag, hast du wohl verdrängt. – Andererseits ist das gar nicht so schlecht, denn wenn du dich von so etwas ablenken ließest, würdest du wahrscheinlich genau jetzt über die Schwelle zur Toilette stolpern.
    Und eines steht ja wohl auch fest: Zum Einstand jemanden vor dem Ertrinken retten, ist nicht übel. – Ein Auto zum Stehen bringen, einen losen Felsbrocken festhalten oder eben auf die Schnelle eine Luftmatratze organisieren, das sind echte Herausforderungen. Der Alltag wird, was man so hört, viel weniger spektakulär verlaufen: eine schwarze Katze verscheuchen, eine Adresse zukommen lassen, einen Wegweiser verdrehen … Vielleicht wird es mit dir ja doch abwechslungsreicher als gedacht.
    Johanna kommt am nächsten Morgen nicht mit zum Zug. Sie würde es ihm niemals sagen, aber ein stiller Vorwurf ist in ihr: Warum muss Max das mit dem Schwimmen gerade in ihrem Teich ausprobieren, obwohl er das traurige Ende schon vorausgesehen hat? Er macht es seinen Freunden nicht leicht. Sie will ihm doch nur helfen und weiß jetzt noch weniger, was sie tun soll. Genau wie bei ihrem halsstarrigen Vater, der lehnt auch jede Unterstützung ab. Mit Vernunft kommt man gegen diese leidenden Dickschädel nicht an. Dabei ist es auf Dauer ganz schön anstrengend, sich immer wieder vorzusagen, dass eine Zurückweisung nicht persönlich gemeint ist. All die ungelesenen Ratgeber, die unangebrochenen Öle, die gemeinsam konsultierten Spezialisten wegen des Diabetes – sie hätte sich das alles sparen können … Hoffentlich wird sie selbst nicht so uneinsichtig und bewahrt sich die Offenheit für Anregungen der anderen, falls es einmal so weit kommt.
    Plötzlich schiebt sich ein anderer Gedanke vor ihren Unmut: Ist es nicht genau dieser Vater gewesen, der mir beigebracht hat, nur dem eigenen Urteil zu vertrauen, mir nichts aufschwätzen zu lassen, keinem Propheten auf den Leim zu gehen? Nicht jedem Befehl anderer blind zu folgen, stattdessen das eigene Hirn einzuschalten. – Nun testet sie bei ihm, ob er seine eigenen Erziehungsmaximen durchhält, und ärgert sich noch darüber, dass er die Prüfung besteht … Absurd, das alles. Plötzlich ist sie auch mit Max versöhnt, selbst wenn er ihr Angebot,
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